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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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nun zu ihnen herüberschauen. Aber der Wagen hielt nicht an, sondern fuhr gemächlich weiter.
    »Und außerdem?«, hauchte Lou, wobei er spürte, wie ihm das Herz schmerzhaft bis zum Hals schlug. Himmel, hoffentlich kippte er nicht um, bevor das alles vorbei war.
    »Hm?«, fragte V ic, den Blick auf den Wagen gerichtet.
    »Was war der zweite Teil deines Plans?«, fragte er.
    »Ach so«, sagte sie, griff nach der offenen Handschelle und schloss sie um den schlanken Stamm einer Birke. »Du bleibst hier.«

Unter den Bäumen
    A uf Lous rundem, stoppeligem Gesicht lag der Ausdruck eines Kindes, das gerade mit angesehen hatte, wie ein Auto rückwärts über sein Lieblingsspielzeug gefahren war. Tränen schossen ihm in die Augen und funkelten in der Dunkelheit. Seine Bestürzung und Enttäuschung peinigten V ic, aber dem Klicken der Handschellen war eine endgültige und unwiderru fl iche Entscheidung vorausgegangen.
    »Lou«, flüsterte sie und legte ihm die Hand aufs Gesicht. »Lou, nicht weinen. Alles wird gut.«
    »Ich möchte nicht, dass du allein gehst«, sagte er. »Ich wollte für dich da sein. Das habe ich dir versprochen.«
    »Du warst für mich da«, sagte sie. »Und du wirst es immer sein, wohin ich auch gehe: Du bist ein Teil meiner Ingestalt.« Sie küsste ihn auf den Mund, schmeckte Tränen, wusste jedoch nicht, ob es ihre waren oder seine. Sie richtete sich auf und sagte: »So oder so, Wayne wird heute Nacht in die Freiheit zurückkehren, und wenn ich nicht bei ihm bin, wird er dich brauchen.«
    Lou blinzelte mehrmals und weinte, ohne sich dessen zu schämen. Er versuchte nicht, die Handschellen abzustreifen. Die Birke war fast zehn Zentimeter dick und zehn Meter hoch. Die Handschelle passte gerade so um den Stamm. Lou starrte V ic traurig und fassungslos an. Er öffnete den Mund, doch offenbar fiel ihm nichts ein, was er ihr hätte sagen können.
    Der Wraith hielt mit laufendem Motor rechts neben der verkohlten Ruine, direkt vor der einzigen noch stehenden Wand. V ic schaute zu dem Wagen hinüber. V on Weitem konnte sie Burl Ives singen hören.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Lou.
    Sie streckte die Hand nach dem Papierstreifen aus, den er am Handgelenk trug – den sie ihm im Krankenhaus verpasst hatten und den V ic im Haus ihres V aters bemerkt hatte.
    »Was ist das, Lou?«, fragte sie.
    »Ach, das?«, erwiderte er und stieß ein Geräusch aus, das halb Lachen und halb Schluchzen war. »Ich bin mal wieder umgekippt. Nichts Wildes.«
    »Das glaub ich dir nicht«, sagte sie. »Ich habe gerade erst meinen V ater verloren, und ich möchte dich nicht auch noch verlieren. Wenn du denkst, dass ich weiter dein Leben aufs Spiel setze, dann bist du verrückter als ich. Wayne braucht seinen V ater.«
    »Seine Mutter braucht er aber auch«, sagte er. »Und ich ebenfalls.«
    V ic lächelte – ihr altes V ic-Lächeln, verwegen und gefährlich.
    »Keine V ersprechungen«, sagte sie. »Du bist der Größte, Lou Carmody. Du bist nicht nur ein guter Mann, sondern ein waschechter Held. Und nicht nur, weil du mich auf deine Harley gepackt und von hier weggebracht hast. Das war der einfache Teil. Sondern weil du für Wayne da warst, jeden einzelnen Tag. Weil du ihm Frühstücksbrote geschmiert hast, mit ihm zum Zahnarzt gegangen bist und ihm abends vorgelesen hast. Ich liebe dich, Mister.«
    Sie blickte wieder die Straße hinauf. Manx war ausgestiegen. Er schritt durch das Scheinwerferlicht, und zum ersten Mal seit vier Tagen sah sie ihn richtig. Er trug einen altmodischen Mantel mit zwei Reihen Kupferknöpfen und langen Schößen. Sein Haar war schwarz und glänzte. Er hatte es von der hohen Wölbung seiner Stirn zurückgestrichen. Er sah aus, als wäre er dreißig. In der einen Hand hielt er einen riesigen Silberhammer. Die andere war um etwas Kleines geschlossen. Er trat aus dem Licht zwischen die Bäume und verschwand vorübergehend im Halbdunkel.
    »Ich muss los«, sagte sie, beugte sich vor und küsste Lou auf die Wange.
    Er streckte die Hand nach ihr aus, aber sie duckte sich unter seinem Arm hindurch und stapfte zur Triumph. Im tränenförmigen Tank war eine faustgroße Delle, und eines der Auspuffrohre hing herab und würde wahrscheinlich auf dem Boden schleifen. Aber die Maschine würde anspringen. V ic spürte, dass sie auf sie wartete.
    Manx trat aus dem Wald und blieb zwischen den Rückleuchten des Wraiths stehen. Er schien direkt in ihre Richtung zu blicken, obwohl er sie in der Dunkelheit und dem dichten

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