Christmasland (German Edition)
die zu ihr gehalten und V ic ihre kühle Hand auf die Stirn gelegt hatte, wenn sie Fieber gehabt hatte. Hier sterben zu müssen, ohne sich mit ihr versöhnt zu haben, war eine grauenhafte V orstellung.
Sie versuchte noch einmal, den Schacht hinaufzuklettern, den Rücken gegen eine Wand gedrückt, die Füße gegen die andere. Ihre Augen tränten. Der Rauch im Schacht wurde immer dichter. Mit ihrem rechten Bein stimmte etwas nicht. Wenn sie sich mit den Füßen hochschob, hatte sie jedes Mal das Gefühl, der Muskel würde zerreißen.
Blinzelnd und hustend arbeitete sie sich weiter den Schacht hinauf. Das Metall in ihrem Rücken war unangenehm warm. Wahrscheinlich würde es nicht mehr lange dauern, bis ihre Haut daran kleben bleiben würde. Nur dass es gar kein Wäscheschacht mehr war. Es war ein Schornstein, auf dessen Grund ein Feuer brannte, und sie war der Weihnachtsmann, der zu seinen Rentieren hochkletterte. Sie hatte dieses idiotische Weihnachtslied im Kopf: »Have a holly, jolly fucking Christmas«, das sich endlos wiederholte. Sie wollte nicht mit Weihnachtsmusik in den Ohren sterben.
Als sie schließlich das obere Ende des Schachts erreicht hatte, konnte sie wegen des vielen Rauchs kaum noch etwas sehen. Ihre Augen tränten, und sie hielt den Atem an. Der große Muskel in ihrem rechten Oberschenkel zitterte unkontrolliert.
Direkt über ihren Füßen sah sie einen trüben Lichtschein, der die Form eines umgedrehten U’s hatte: die Luke zum oberen Stockwerk. Ihre Lunge brannte. Unwillkürlich holte sie keuchend Luft, atmete Rauch ein und begann zu husten. Es tat weh. Sie spürte, wie hinter ihren Rippen weiches Gewebe riss. Ohne V orwarnung versagte ihr rechtes Bein. Sie warf sich nach vorn und drückte mit den Armen gegen die geschlossene Luke. Sie wird nicht aufgehen. Bestimmt hat er etwas davorgeschoben, und sie wird nicht aufgehen.
Ihre Arme stießen die Luke auf, und die Luft dahinter war wunderbar kühl. Sie klammerte sich mit den Achseln am Rand der Öffnung fest. Ihre Beine hingen noch im Schacht, und ihre Knie stießen gegen die Aluminiumwand.
Die offene Luke erzeugte einen Luftzug im Schacht, und sie spürte eine heiße, stinkende Brise um sich herum aufsteigen. Rauch wölkte um ihren Kopf. Sie konnte nicht aufhören, zu husten und zu blinzeln. Der Husten erschütterte ihren ganzen Körper, und sie schmeckte Blut auf den Lippen.
Eine ganze Weile hing sie so da, zu schwach, um sich aus dem Schacht hinauszuziehen. Dann begann sie mit den Füßen zu strampeln, die polternd gegen die Aluminiumwand schlugen. Sie fand nur wenig Halt, aber sie brauchte auch nicht viel. Kopf und Arme ragten bereits durch die Luke nach draußen, und sie musste sich eigentlich nur noch ein bisschen nach vorn beugen, um aus dem Schacht hinauskriechen zu können.
Wenig später landete sie auf dem groben Teppich im Flur des oberen Stockwerks. Die Luft schmeckte gut. Japsend wie ein Fisch lag sie da. Wie wunderbar und schmerzhaft es doch war, am Leben zu sein.
Sie musste sich an der Wand abstützen, um auf die Beine zu kommen. Eigentlich hatte sie erwartet, dass das ganze Haus von Rauch und Feuer erfüllt sein würde, aber die Luft im oberen Flur war lediglich etwas trübe und nicht annähernd so schlecht wie im Wäscheschacht. Zu ihrer Rechten sah V ic ein Fenster. Sie humpelte über den plüschigen Siebzigerjahre-Teppich zum oberen Treppenabsatz. Durch den dichter werdenden Rauch stolperte sie die Treppe hinunter.
Die Eingangstür stand halb offen. Die Kette, an deren Ende das aus der Tür gebrochene Schließblech baumelte, hing vom Türrahmen herab. Die Luft, die von draußen hereinkam, war so angenehm wie kühles Wasser, und am liebsten hätte sie sich gleich hineingestürzt, aber das tat sie nicht.
In die Küche konnte sie nicht hineinschauen. Dort war alles voller Rauch und lodernder Flammen. Eine offene Tür führte zum Wohnzimmer. Die Tapete an der gegenüberliegenden Seite brannte, und darunter kam die kahle Wand zum V orschein. Ein Teppichvorleger glimmte. In einer V ase befand sich ein brennender Blumenstrauß. Orangefarbene Feuerzungen leckten an den billigen weißen Nylonvorhängen. Offenbar stand die gesamte Rückseite des Hauses in Flammen.
V ic schaute durch das Fenster neben der Eingangstür. Die Grundstücksauffahrt war eine lange, schmale Sandstraße, die in den Wald hineinführte. Sie konnte kein Auto entdecken, aber von ihrem Blickwinkel aus konnte sie die Garage nicht sehen. Womöglich saß Manx
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