Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
Vom Netzwerk:
wölbte sich das Netz nach außen und innen.
    Nun trat ein vierter gesichtsloser Jäger, der einen Speer trug, aus dem Großen Wald. Als er fünf Schritte von Renn entfernt war, stieß er den Speer mit einer solchen Wucht in den Boden, dass der Schaft vibrierte.
    Auf Kopfhöhe war der Schaft mit einem Blätterbündel umwickelt, das Renn als giftiges Nachtschattengewächs erkannte. Aus dem Bündel baumelte etwas Dunkles herab, ungefähr so groß wie eine Faust.
    Der Jäger rüttelte prüfend an dem Speer, um sich davon zu überzeugen, dass er tief genug im Boden steckte, dann machte er kehrt.
    Renn drehte sich der Magen um.
    Eine Faust hing vom Speerschaft herab. Gaups abgeschlagene Hand.
    Ein Bannpfahl. Die Bedeutung war unmissverständlich. Dieser Weg ist verschlossen.
    Renn konnte den Blick nicht von der abgetrennten Hand lösen. Sie stellte sich vor, wie es sein müsste, den Rest ihres Lebens so zu leben wie Gaup. Nie wieder ihren Bogen benutzen zu können …
    Zu ihrer Rechten gewahrte sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung.
    Sie war vor Entsetzen wie gelähmt.
    Torak kam auf dem Pfad direkt auf sie zugelaufen.

Kapitel 9

    Renn lief der Schweiß an den Schläfen hinab.
    Torak kam den Pfad entlang und suchte sie. Er hatte die Jäger auf dem Abhang nicht bemerkt, da ihm die Bäume die Sicht verstellten, und aus dem gleichen Grund hatten die Jäger ihn ebenfalls noch nicht gesehen. Doch ungefähr fünfzehn Schritte weiter, dort, wo eine umgestürzte Birke eine Lücke hinterlassen hatte und das Sonnenlicht auf dem Weg tanzte, mussten sie ihn entdecken.
    Lautlos wie ein Wolkenschatten erklommen die Jäger den Abhang. Zwischen den im Wind schwankenden Bäumen und den sonnenüberglänzten Blättern waren sie nicht zu erkennen. Renn wagte es nicht, zu rufen oder einen warnenden Rotschwänzchenschrei auszustoßen. Sie konnte auch keinen Kiesel auf den Pfad werfen, ohne aufzustehen.
    Torak blieb abrupt stehen. Jetzt hatte er den Bannpfahl gesehen.
    Sofort verließ er den Pfad, hielt aber unbeirrt auf die Lücke zu.
    Renn blieb keine Wahl. Sie musste ihn trotz des Risikos warnen. Sie ahmte den Ruf des Rotschwänzchens nach.
    Torak verschwand im Gebüsch.
    Sie spürte mehr, als dass sie es sah, wie die Jäger sich in ihre Richtung wandten. Ihre Blicke glitten gleich gut gezielten Speere bis zu ihrem Versteck. Woher wussten sie nur, dass kein echter Vogel gerufen hatte? Sie hatte die Stimme am Ende wie immer ein wenig angehoben, damit Torak ihren Ruf erkannte, aber noch nie zuvor hatte jemand diesen Unterschied bemerkt. Diese Jäger waren unglaublich wachsam. Und misstrauisch.
    Die Jäger kletterten den Abhang herunter und kamen auf sie zu.
    Panik stieg in ihr auf. Das körperliche Verlangen, aufzuspringen und davonzurennen, war beinahe übermächtig, aber sie wusste genau, dass ihre einzige Chance darin bestand, sich nicht von der Stelle zu rühren. Stillhalten, warten, bis die Jäger sie beinahe entdeckt hatten – und dann wie ein Hase loslaufen, in den Fluss springen … und den Clanhüter um Beistand anrufen.
    Die Jäger schwärmten weiter aus, um sie einzukreisen. Renn verharrte mit angespannten Muskeln, bereit, davonzurennen.
    Am Abhang, im Rücken der Jäger, ertönte erneut der Ruf eines Rotschwänzchens.
    Die ausdruckslosen Gesichter drehten sich um.
    Wieder ein Ruf. Das musste Torak sein. Renn hörte, wie er die Stimme am Ende anhob. Irgendwie hatte er es geschafft, hinter die Jäger zu schleichen.
    Mit angehaltenem Atem sah sie zu, wie die Jäger kehrtmachten und in die Richtung gingen, aus der das Geräusch gekommen war.
    Ein neuerlicher Ruf, diesmal aus dem Schilf am Flussufer. Wie war das möglich? So schnell konnte sich Torak nicht bewegen.
    Plötzlich schwirrte ein Schatten über Renn hinweg, und Rek landete in einer Erle, die in unmittelbarer Nähe des Bannpfahls stand. Sie pfiff wie ein Rotschwänzchen.
    Die Jäger blieben stehen. Ihre lehmbemalten Finger verständigten sich in stummer Zeichensprache. Dann hielten sie auf den Baum zu, in dem der Rabe hockte, und gingen dabei drei Schritte an Renns Wacholderversteck vorbei, ohne sie zu bemerken. Ihre bösen Absichten strichen wie ein Hitzesturm über Renn hinweg.
    Rek gab einen weiteren perfekten Rotschwänzchenruf zum Besten und flog, als die Jäger näher kamen, mit heiser krächzendem Rabenlachen davon.
    Schweigend blickten die gesichtslosen Jäger dem Vogel hinterher. Dann gingen sie den Pfad hinauf und verschwanden im Großen Wald.

    »Alles in

Weitere Kostenlose Bücher