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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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ihnen sein. Seine Mutter hätte ihn als Neugeborenes ebenso gut ihrer eigenen Sippe zuführen können statt der von Fa. Dann wäre er nicht im Weiten Wald, sondern im Großen Wald aufgewachsen, Fa wäre unter Umständen noch am Leben und er, Torak, wäre Wolf nie begegnet…
    Ihm schwirrte der Kopf. Er stand auf und ging etwas Essbares suchen.
    Er grub ein paar süße Orchideenknollen aus und buk sie in der Glut, dazu zerstampfte er Gänsefußblätter zu Brei und würzte das Ganze mit Sandlauch. Es schmeckte gut, aber er hatte eigentlich keinen Hunger. Er beschloss, den Rest für das Tagmahl aufzuheben.
    Als er eben das Kochleder in einen Baum hängte, damit keine Tiere drankamen, hallte ein Schrei durch den Wald.
    Er hielt inne.
    Der Schrei stammte weder von einer Fuchsfähe noch von einem brünftigen Luchs, sondern kam von einem Menschen. Oder von jemandem, der einst ein Mensch gewesen war. Nach dem Klang zu urteilen, befand sich der Betreffende westlich von Toraks Lagerplatz und war ziemlich weit entfernt.
    Leise schaudernd beobachtete Torak, wie sich die Dämmerung über den Wald senkte. Bald war Mittsommer, schon waren die Nächte kurz – aber immer noch lang genug, um sich zu fürchten.
    Es wurde dunkler, trotzdem hörte man überall Drosseln schwatzen und Spechte heiser lachen. Die Vögel sangen auch nachts. Torak war froh über ihre Gesellschaft.
    Er stellte sich vor, wie die Raben jetzt um das Feuer saßen. Bestimmt duftete es nach Rauch und gebratenem Lachs. Er hörte Oslaks polterndes Gelächter…
    Als wäre der Atem des Sommers selbst vergiftet!
    Rasch breitete er den Schlafsack aus und kroch samt seinen Waffen hinein. Eben war er noch hellwach gewesen, jetzt war er mit einem Mal todmüde.
    Er schlief ein.
    Schrilles Gelächter hallte durch seine Träume. Benommen nahm er ein lautes Ächzen wahr – vertraut und todbringend zugleich …
    Er war schlagartig wach. Das war das Ächzen eines fallenden Baumes … eines Baumes, der in seine Richtung stürzte!
    Seine Füße hatten sich im Schlafsack verfangen, er steckte fest. Wie eine Raupe schlängelte er sich aus der Hütte, kam unbeholfen auf die Beine, hüpfte ein paar Schritt, stolperte, wäre um ein Haar im Feuer gelandet und warf sich seitlich ins Farnkraut, als der Baum auf die Hütte krachte.
    Funken sprühten empor. Schwarze Zweige schwankten und kamen schließlich zur Ruhe.
    Torak lag mit pochendem Herzen schweißüberströmt im Farn. Er erinnerte sich genau, dass er vor dem Bau der Hütte nach entwurzelten Bäumen Ausschau gehalten hatte, außerdem ging kaum ein Lüftchen.
    Das Gelächter. Bösartig und doch auf unheimliche Weise kindlich. Das war kein Traum gewesen.
    Er wagte nicht, sich zu rühren, und blieb so lange liegen, bis er ganz sicher war, dass nicht noch ein Baum umfallen würde. Dann rappelte er sich auf und nahm seine Hütte in Augenschein.
    Eine junge Esche war darauf gestürzt, hatte alle drei Schösslinge umgeknickt und Toraks Habe unter sich begraben. Die Sachen waren vielleicht noch zu retten, jedenfalls schien die Ausrüstung im schwachen Schein des Feuers unversehrt, aber wäre er nicht rechtzeitig aufgewacht, hätte ihn der Baum erschlagen.
    Doch wenn ihn sein Verfolger hatte umbringen wollen, weshalb hatte er dann gelacht und ihn damit gewarnt? Torak kam es vor, als wollte der Unbekannte ein Spiel mit ihm treiben. Als wollte er ihn in eine Falle locken, aus lauter Neugier, wie er sich dann wohl verhielt.
    Das Feuer brannte noch. Mit einem glimmenden Ast in der einen und dem Messer in der anderen Hand, betrachtete Torak die umgestürzte Esche genauer.
    Er entdeckte Axtspuren. Kleine Kerben von ungeschickten Hieben, doch sie hatten ihren Zweck erfüllt.
    Trotzdem sonderbar. Am Boden waren keinerlei Spuren zu finden. Nichts verriet, dass sich jemand angeschlichen und den Baum angehackt hatte.
    Noch einmal ließ Torak den Schein seiner Fackel über die Erde wandern. Nichts. Vielleicht übersah er ja etwas, aber das war eher unwahrscheinlich, denn er war ein ausgezeichneter Spurenleser.
    Er tunkte den Finger in das austretende Baumblut, das schon dick geworden war, was wiederum bedeutete, dass die Axthiebe schon einige Zeit zurücklagen und der Unbekannte dem Baum den endgültigen Stoß erst versetzt hatte, als Torak schlief.
    Er runzelte skeptisch die Stirn. Kein Mensch konnte einen Baum fällen, ohne dabei Lärm zu machen. Weshalb hatte er nichts gehört?
    Wie er so im Dunkeln zwischen den Bäumen stand, wünschte er sich

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