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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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erklärt hatte, stellten die geheimnisvollen Jäger ihrer Beute unter Wasser nach. Torak stellte sich vor, wie sich die Fische angstvoll und Schutz suchend aneinander drängten und dennoch den Jägern ausgeliefert waren, die sie vom Meeresgrund aus angriffen…
    Was waren das eigentlich für Jäger?
    »Du musst das Wasser beobachten«, zischelte Detlan.
    Torak legte die Hand über die Augen.
    Das Meer begann zu brodeln. Blasen blubberten empor. Das Wasser wurde hellgrün.
    »Die Heringe steigen«, zischte Detlan. »Die Jäger sind unter ihnen und um sie herum und sie können sich nur noch nach oben flüchten …«
    Immer mehr Möwen kamen kreischend und krächzend angeflogen, bis der ganze Himmel in Aufruhr war. Jetzt sah Torak auch, dass ein einziger, riesiger Klumpen aus Fischen an die Oberfläche gestiegen kam. Die schlanken, zuckenden Leiber drängten sich so dicht aneinander, dass das Meer ganz silbern wurde und zu kochen schien. Manche Fische sprangen in ihrer Todesangst sogar aus dem Wasser, worauf die Möwen nur gewartet hatten.
    Dicht neben Torak schnellte ein Fisch wie ein Pfeil in die Luft, kaum größer als eine Hand. Ein mächtiger Vogel, dessen Flügelspannweite länger als das Boot war, packte ihn mit scharfen Klauen und entführte ihn in die Lüfte. Torak reckte den Hals und erkannte an der Form der Schwingen, dass es ein Adler war.
    Eine Möwe flatterte hinterdrein und wollte ihm die Beute abjagen, aber der Adler spreizte nur geringschätzig die aschgrauen Schwanzfedern und flog davon.
    Im strudelnden Wasser tobte ein erbitterter Kampf um die Fische. Einer Möwe hing ein halber Hering noch aus dem Schlund, als sie wegflog, worauf zwei andere sie verfolgten, um ihr die Beute wegzuschnappen.
    Was Torak dann erblickte, ließ ihn alles andere vergessen.
    Eine schwarze Flosse durchstieß die Wogen.
    Torak verschlug es den Atem.
    Die Flosse war so hoch, wie ein erwachsener Mann groß war, und bewegte sich flinker als ein Boot.
    »Da kommen sie, die Jäger!«, raunte Detlan.
    Torak sah sich nach den drei Robbenjungen um. Sie hielten den Blick ehrfürchtig, Bale auch bewundernd, aufs Wasser gerichtet.
    Eine zweite Riesenflosse durchstieß die Oberfläche und eine dritte, aus der unterhalb der Spitze ein Stück herausgebissen war. Letztere bewegte sich flink und mit tödlicher Zielstrebigkeit voran und umkreiste den Heringsschwarm.
    Das ist also ein Jäger, dachte Torak bei sich. Sein Vater hatte ihm einmal mit einem Stöckchen einen Wal auf den Waldboden gezeichnet, aber Torak begriff erst jetzt, wie groß diese Tiere tatsächlich waren. Mit einem Mal kam er sich schrecklich ausgeliefert vor, wie er so in dem zerbrechlichen Boot auf und nieder tanzte …
    Es platschte, und als Torak sich umdrehte, sah er eine Gischtfontäne emporsteigen. Dann hob sich eine mächtige schwarze Schwanzflosse aus dem Wasser und fuhr abermals nieder, dass es nur so spritzte. Das Meer schäumte, die aufgewühlten Wogen glitzerten in der Sonne, und als der Jäger mit der verstümmelten Rückenflosse den Fischschwarm erneut umkreiste, folgte ihm ein junges Tier, dessen kleinere Finne mühsam mit seiner großen mithielt.
    Immer enger zogen die Jäger ihre Kreise, tauchten in die Tiefe, kamen wieder emporgeschossen und fraßen sich satt. Dann waren sie ganz plötzlich verschwunden.
    Mit angehaltenem Atem suchte Torak das Wasser ab. Wo mochten sie sein? Womöglich unter dem Boot?
    Hinter ihm ertönte ein kehliges »Kwsch!« und eine Gischtwolke schlug über dem Boot zusammen. Dann sah Torak auch den Jäger mit der verstümmelten Finne wieder. Er schwamm so dicht neben ihnen, dass Torak den gewaltigen, stumpfnasigen Kopf hätte anfassen können… der Rücken war schwarz, der Bauch weiß und hinter dem Auge hatte er einen eiförmigen weißen Fleck. Der riesige Rachen klaffte auf, und Torak konnte die spitzen weißen Zähne erkennen, die länger als sein Mittelfinger waren. Ein glänzendes schwarzes Auge blickte ihn an, dann krümmte der Jäger den schimmernden Rücken und tauchte ab.
    Torak machte sich auf das nächste Auftauchen gefasst, aber der Jäger zeigte sich nicht mehr. Nur die Möwen, die sich um die letzten Überbleibsel zankten, und die silbernen Fischschuppen, die im grünen Wasser trieben, erinnerten noch an den großen Raubzug.
    Bale vollführte eine knappe Verbeugung vor dem Meer, dann wandte er sich ab, griff wieder zum Paddel und ruderte wortlos davon, gefolgt von den beiden anderen Booten.
    Erst als sie eine

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