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Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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dem Wasserbehälter unter die Eibe legte und auch die Axt aus dem Gürtel nahm. Im Dunkeln würde ihm nur sein Messer von Nutzen sein. Zum Schluss schnitt er eine Lederleine für den Welpen zurecht. Wolf zappelte und schnappte, aber schließlich konnte Torak ihn davon überzeugen, dass er bei Renn bleiben musste, die die Angelegenheit damit besiegelte, dass sie eine Hand voll getrockneter Preiselbeeren aus ihrem Vorratsbeutel holte. Torak wusste allerdings nicht, wie er Wolf erklären sollte, dass er bald zurückkommen würde. In der Wolfssprache schien es keinen Ausdruck für die Zukunft zu geben.
    Renn gab ihm einen Ebereschenschössling zum Schutz mit, dazu einen ihrer Handschuhe aus Lachshaut. »Vergiss nicht«, mahnte sie, »wenn du Steinzähne findest, fass sie auf keinen Fall mit bloßen Händen an. Es wäre auch besser, wenn du den Beutel mit den Flussaugen hier lässt.«
    Das leuchtete Torak ein. Wer weiß, was passieren würde, wenn er die Nanuak mit in die Höhle nahm.
    Mit dem eigenartigen Gefühl, eine bedrückende Last loszuwerden, reichte Torak Renn den Rabenhautbeutel, den sie sich sogleich an den Gürtel band.
    Wolf betrachtete das Geschehen mit zuckenden Ohren, als würde der Beutel, dachte Torak, irgendein Geräusch von sich geben.
    »Du brauchst bestimmt Licht«, sagte Renn, froh, etwas Praktisches beitragen zu können. Sie holte zwei Binsenlichter aus ihrer Trage. Die kleinen Fackeln bestanden aus Binsenmark, das in Hirschtalg getränkt und anschließend in der Sonne getrocknet worden war. Mit zwei Steinen setzte sie eine Locke Wacholderrindenzunder in Brand und ein Binsenlicht erwachte zum Leben, eine helle, klare, tröstende Flamme. Torak war ihr unendlich dankbar dafür.
    »Wenn du Hilfe brauchst«, sagte sie, kniete sich hin und umarmte Wolf, damit sie selbst zu zittern aufhörte, »rufst du laut. Dann laufen wir sofort los.«
    Torak nickte. Dann duckte er sich und betrat das Steinmaul.

    Er tastete nach der Wand. Sie fühlte sich seltsam schleimig an, wie verwesendes Aas.
    Er schob sich langsam voran, immer einen Fuß nach dem anderen. Das Binsenlicht flackerte und schrumpfte zu einem Glimmen. Der Gestank wehte aus der Dunkelheit herauf und brannte ihm in der Nase.
    Nach ein paar zögernden Schritten stieß er an Stein. Der Höhleneingang verengte sich zu einem Schlund. Wenn er den passieren wollte, musste er sich seitlich hindurchschieben. Er schloss die Augen und zwängte sich hinein. Er spürte das Gewicht des Felsens, das ihn zu zermalmen drohte …
    Die Luft wurde kühler. Er befand sich immer noch in einem Gang, der aber jetzt wieder breiter wurde und eine Biegung nach rechts machte. Er blickte über die Schulter und sah, dass das Tageslicht verschwunden war und damit auch Renn und Wolf.
    Der Gestank wurde stärker, je tiefer er in den Berg eindrang, doch er hörte nichts außer seinen eigenen Atem, sah nichts außer Flecken glitzernden roten Felsgesteins.
    Ein plötzlicher kalter Schauer zu seiner Linken sorgte dafür, dass er beinahe den Halt verloren hätte. Kleine Steine rutschten weg und fielen ins Bodenlose.
    Die linke Tunnelwand war nicht mehr da. Er stand auf einem schmalen Sims, das immer tiefer in die Dunkelheit führte. Von weit unten hallte das »Plink« von tröpfelndem Wasser zu ihm herauf. Ein falscher Schritt konnte tödlich sein.
    Noch eine Biegung – diesmal nach links – und unter seinen Füßen rutschte ein Stein weg. Mit einem Aufschrei tastete er nach einem Halt und fand ihn gerade noch rechtzeitig.
    Bei seinem Schrei hatte sich etwas bewegt.
    Er erstarrte.
    »Torak?« Renns Stimme klang wie aus weiter Ferne.
    Er traute sich nicht zu rufen. Was immer sich da bewegt hatte, es regte sich nicht mehr, aber es war eine scheußliche, lauernde Reglosigkeit. Es wusste, dass Torak da war. »Die Wächter sind überall. Sie sehen dich, aber du siehst sie nicht. Erst wenn’s zu spät ist.«
    Er zwang sich zum Weitergehen. Abwärts, immer weiter abwärts. Der Gestank drang in Wolken zu ihm herauf. Atme durch den Mund , hörte er eine Stimme mahnen. So hatten es Fa und er immer gemacht, wenn sie an einem stinkenden Stück Aas oder einer von Fledermäusen bewohnten Höhle vorbeigekommen waren. Torak gehorchte, und der Gestank wurde erträglicher, obwohl er sich immer noch in Augen und Hals festsetzte.
    Ohne Übergang wurde der Boden wieder eben. Torak spürte, wie sich der Raum um ihn weitete. Von irgendwoher musste trübes Licht hereinfallen, denn er konnte eine riesige,

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