Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
keinen Laut von sich. Ich bewunderte sie im Stillen dafür.
„Hat dich das Ding an etwas erinnert?“, fragte ich sie im Plauderton.
„Ja, an den Geistlichen, den Priester.“
„Gut geraten. Das hier war allerdings ein Weibchen.“
„Tatsächlich?“ In ihrer Stimme schwang so viel Ironie mit, dass ich nicht anders konnte und sie in den Nacken küsste.
„Ob du’s glaubst oder nicht, ja. Wir sind fast da, Catriona.“
„Es geht mir gut.“
„Mehr werden nicht kommen, wir sind in Sicherheit.“
Ich wusste nicht, ob das so stimmte. Etwas Dunkles, Böses lag in der Luft, etwas, was ich nicht recht einzuordnen vermochte. Nie wieder durfte ich derart dumm und sorglos sein wie heute.
„Es tut mir leid, dass ich mich davongeschlichen habe.“ Sie ächzte einmal kurz, als das Pferd über eine große Unebenheit sprang und mit donnernden Hufen auf der anderen Seite landete. „Mir war schlecht.“
„Das nächste Mal, wenn dir schlecht wird, bleib in der Nähe.“
Sie stöhnte noch einmal auf. Es klang fast wie ein Lachen.
Ich erholte mich allmählich von dem Schock und mein Puls normalisierte sich wieder. Ein dunkler Verdacht beschlich mich. Wie lange hatten wir hier schon keine Lammyr mehr gesehen? Mindestens seit Griogair sie vor Jahrhunderten verjagt hatte. Ihre plötzliche Rückkehr ergab keinen Sin n – außer, es waren Umstände eingetreten, die ich nicht kannte und nicht verstand.
Catrionas Blut floss warm und feucht über meinen Arm. Ich fühlte mich wieder jung und hilflos und überfordert. Und in meinem Kopf spukten schreckliche Gedanken herum, während mein Pferd zum zweiten Mal an diesem Morgen abrupt zum Stehen kam. Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken.
Kate war zurück.
31. Kapitel
D ie Festungstore standen sperrangelweit offen. Fünf Einheiten von Kates Truppen lagerten ringsum außerhalb der Mauern, aßen unser Essen, tranken unser Ale. Ich ritt schnurstracks zwischen ihnen hindurch. Das war kein Problem, sie wichen sofort aus und bildeten eine Schneise. Mein Pferd hatte die Ohren angelegt und bleckte die Zähne. Die Pferde, auf denen Kates Krieger eingetroffen waren, scheuten und zitterten auf ihren Hufen, versuchten sich gar von ihren Stricken loszureißen. Die Kämpfer musterten mich. Ich spürte es, sah sie aber nicht an.
Im Innenhof stand Kate auf dem erhabensten Punkt des Pflasters, dort, wo Conal eigentlich hätte stehen sollen. Lilith hatte sich neben ihr aufgestellt und fünf weitere Truppeneinheiten flankierten sie, darunter auch ihre Leibwache. Ihre Schwerter steckten in den Scheiden; es waren ihre Augen, die wie kalter Stahl blitzten. Eine undurchdringliche Stille lag über der Festung.
„Murlainn!“ Kates Stimme stach klar und hell durch die eisige Luft. „Wir haben auf dich gewartet.“
„Dann kannst du auch noch eine Minute länger warten“, antwortete ich.
Kates Hauptmann zog scharf die Luft ein. Jemand bahnte sich einen Weg durch die Ränge. Es war Grian. Er nahm Catriona in Empfang, die ich ihm vom Pferderücken hinabreichte. Armer alter Grian, dachte ich, als ich selbst abstieg. Er hatte sichtlich Angst vor diesem Aufmarsc h – kein Wunder ! –, aber seine Hilfsbereitschaft siegte über die Furcht. Mit Catriona auf dem Arm blickte er zu Kate hinüber.
„Kate!“ Das war die Stimme meines Bruders. „Das Mädchen ist verletzt. Lass Grian mit ihm durch.“
Er stand gut zehn Meter entfernt, waffenlos, ausdruckslos. Alle blickten gespannt zu Kate. Außer Lilith, die mich ansah.
Kate machte eine theatralische Pause, wartete, wartet e – dann schließlich nickte sie.
Grian drehte sich um und trug Catriona schweigend davon. Sie hatte die Hände um seinen Hals geschlungen und sah mich flehentlich an. Ich schloss nur die Augen und versuchte mich zu beruhigen.
Langsam lief ich zu Conal. Mir war klar, dass ihn meine anmaßende Bemerkung gegenüber Kate verärgert und gleichzeitig gefreut hatte. Der Schatten eines Lächelns umspielte seine Mundwinkel.
Bist du bereit, Murlainn?
Wenn du es auch bist, Cù Chaorach.
„Kommt her!“, sagte Kate.
Der Gang durch den leer gefegten Hof zu ihr hinüber fühlte sich an wie der längste Weg meines Lebens. Ich wusste, was ich würde tun müssen, und bei dem Gedanken daran kam mir die Galle hoch. Die Götter allein wussten, was Conal gerade dachte, er hatte seinen geistigen Schutzschild hochgezogen. Aber er war spürbar wütend. Mehr konnte ich durch das eiserne Fallgitter vor seinen Gedanken nicht
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