Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
ich polterte schwerfällig zu Boden und handelte mir einen mächtigen Schlag ein, der mich in den Sand schleuderte.
„Hast deine Deckung vergessen, du Dummkopf!“, schrie Griogair. „Erst antäuschen, dann von unten hervorpreschen.“
Und genau das tat ich, als ich Gelegenheit dazu bekam. Ich rollte mich unter Carneys Hieb weg und stieß mit meiner Stange steil nach oben. Carney ging stöhnend in die Knie und hielt sich stumm vor Schmerz die Leiste. Genau dasselbe hatte er mir schon mehr als einmal angetan, daher verspürte ich keinerlei Gewissensbisse, nur Freude und einen berauschenden Stolz. Ich drehte mich nach Griogair um, aber er war verschwunden.
Nächstes Mal, schwor ich mir und ihm, nächstes Mal wirst du es sehen. Nächstes Mal wirst du lächeln.
Aber als ich Griogair das nächste Mal sah, waren zwei Tage vergange n – er führte dreißig seiner besten Kämpfer an und ritt aus der Festung hinaus. Ja, er lächelte tatsächlich, doch aus einem anderen Grund. Die meisten seiner Begleiter lachten und grinsten, und ich erinnere mich, dass auch ich lachte, regelrecht berauscht war von Vorfreude. Kilrevin war ein übler Kerl, ein Verbrecher, sie wollten, dass er seine gerechte Strafe bekam, wir alle wollten das. Aber das Lied, das an jenem Morgen durch unsere Adern strömte, hatte nichts Edles oder Selbstloses. Es war die pure Mordlust, die unsere Herzen beben ließ, als Griogair in den Hof hinaustrat und lautstark nach seinem Pferd und seinem Schwert verlangte. Sogar Leonora lächelte, als sie ihn zum Abschied küsste. Und ich war dumm genug, mich von ihrer Blutrünstigkeit anstecken zu lassen. Heute sind mir menschliche Eingeweide so vertraut wie die Handfläche meiner Schwerthand, aber nie zuvor und nie danach war ich so stolz darauf, in einen Kampf zu ziehen, wie an jenem Tag. Dummes, naseweises Kind, das noch nie echtes Blut gesehen hatte.
Was wusste ich damals schon?
Auch Eili sah dem Treiben von der Festungsmauer aus zu und ich schaute in ihr lachendes Gesicht. Sie lechzte genauso nach dem Kampf wie ich, das erkannte ich an dem wild tänzelnden Funkeln in ihren Augen. Ich überlegte, ob ich sie mitnehmen sollte, entschied mich aber dagegen. Ich schirmte meinen Geist ab und schlich mich in Richtung der verlassenen Nordwand davon. Später würde ich ihr davon erzählen, würde damit prahlen, was ich gesehen hatte. Aber den Weg wollte ich allein gehen. Ich wollte keine Gesellschaft, nicht einmal die von Eili.
Darum erschrak ich beinahe zu Tode, als plötzlich jemand an meinem Ärmel zupfte.
Ich sah über die Schulter. Wäre ich doch nur den Bruchteil einer Sekunde schneller gewesen. Ich saß schon oben auf der Brustwehr, ein Bein über die Nordmauer geschwungen, und wollte gerade an den Griffen hinabklettern, von denen ich wusste, dass sie da waren. Ich durfte keine Zeit mehr verlieren, denn ich war ohnehin schon weit abgeschlagen. Womöglich würde mein Vater den Mistkerl längst erledigt haben, bis ich ankam, und ich würde um das Vergnügen gebracht werden, ihm dabei zuzuschauen.
Sinead packte meinen Ärmel fester. „Geh nicht“, flüsterte sie.
„Soll das ein Witz sein?“, knurrte ich. „Das kann ich mir doch nicht entgehen lassen.“
„Seth, bitte. Geh nicht. Ich hatte einen bösen Traum.“
Ich starrte sie an. Ein eisiger Schauer rieselte mir den Rücken hinunter, denn solch ein Verhalten sah Sinead ganz und gar nicht ähnlich. Doch ich redete mir ein, dass die Stimmung der letzten Tage und Wochen ihr wohl mehr zugesetzt haben musste, als ich gedacht hatte. Sanft strich ich ihr über die Wange, dann folgte ich einem plötzlichen Impuls, beugte mich zu ihr herunter und küsste sie.
„Ich bin heute Abend wieder da“, versicherte ich ihr. „Und dann erzähle ich dir alles. Wir gehen zu den Höhlen, ja?“
Das Versprechen entlockte ihr anders als sonst nicht das kleinste Lächeln. Sie blickte mich nur verschreckt an und ich spürte, wie ihr Geist den meinen berührte, wie sie mich anflehte.
Seth. Bitte geh nicht.
Das war zu viel für mich. Fast brutal unterbrach ich unsere Gedankenverbindung, riss meinen Ärmel aus Sineads Faust und schwang mich über die Mauer.
7. Kapitel
I ch rannte, als wäre der Teufel hinter mir her. Dennoch erreichte ich Griogairs Reiter erst in der Dämmerung. Meine Lunge brannte, meine Glieder zitterten vor Erschöpfung, aber immerhi n – ich hatte sie eingeholt. Natürlich war ich nur den Geräuschen gefolgt, denn wenn ich meinen Geist eingesetzt
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