Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
einiges. Der MacLeod weiß, wie er euch sehen kann. Also sei vorsichtig. Mehr sag ich nicht.“
Sie stand auf, schnappte sich meine halb volle Flasche Whisky und schlurfte wieder hinter den Tresen. Ich war so verblüfft von ihrem Auftritt, dass ich nur dasitzen und ihren raschelnden, schmuddeligen Röcken hinterherstarren konnte. Aber dann stellte sie bloß die Flasche auf den schmutzigen Boden, suchte in einem Regal nach einer neuen, brachte sie mir und knallte sie vor mir auf den Tisch.
„Da“, sagte sie. „Der hier schmeckt besser. Von jetzt an kriegt ihr nur noch den, du und dein Bruder. Jedes Mal wenn ihr herkommt.“
Ich zog misstrauisch eine Augenbraue in die Höhe. „Warum das denn?“
Sie zwinkerte mir wieder zu. Für ihr Alter hatte sie noch ziemlich lüsterne Blicke auf Lager. „Vielleicht weil ich abergläubisch bin, mein Hübscher? Ich will mich lieber gut mit euch stellen.“
„Fein. Aber das wird dir nichts nützen. Weder werden sich deine Pflichten im Schlaf erledigen noch wird bei den Kühen deiner Feinde die Milch versiegen.“
„Ich hab gar keine Feinde, Kleiner, und von deinen Leuten hab ich schon alles bekommen, was ich wollte. Trink die zweite Flasche, dann wirst du’s schon verstehen. Und ich hab selber ein paar Heilkräfte. Hat mir jemand beigebracht, der deinem Bruder ziemlich ähnlich war.“ Wehmut und Begierde vernebelten ihren Blick. „Vor dreißig Jahren. Also keine Sorge, ich werde dir nicht mehr hinter herspionieren.“
Ich lachte, packte die Whiskyflasche und wollte mich auf die Suche nach Conal machen, aber sie zupfte noch einmal an meinem Ärmel.
„Sag ihm, er soll aufpassen. Mit dem Heilen und so.“ Ihre Augen waren blass und wässrig, aber daher rührte die Kälte darin nicht. „Solange alles so läuft, wie es soll, wird er keine Schwierigkeiten bekommen. Aber wenn nich t … Die Dankbarkeit der Leute schlägt schnell ins Gegenteil um.“
Ich lachte auf. Langsam aber sicher wurde ich ärgerlich. „Soll das eine Drohung sein?“
„Nein, eine Warnung, mein Kleiner. Du bist zu schön, um auf dem Scheiterhaufen zu brennen.“
Anscheinend hatte die dumme Alte zu viel Zeit. Solche Frauen kannte ich zur Genüge vom Markt: alt, einsam und immer darauf bedacht, jede Kleinigkeit aufzubauschen, um sich einen aufregenden Tag zu bescheren. Aber als ich später in der Nacht den Whisky aufmachte, fuhr mir plötzlich ein Schauer über den Rücken.
Nein, das Zeug war nicht schlecht. Im Gegenteil, es war zu gut. Ich schmeckte darin die Wahrheit ihrer Worte und auf einmal war mir klar, dass sie nur zu gut wusste, wovon sie sprach.
Ich versuchte zu vergessen, was die alte Ma Sinclair gesagt hatte. Conal war für meinen Geschmack sowieso schon zu vorsichtig, zu scheu; beinahe wünschte ich mir eine ordentliche Prügelei, um ein bisschen Spannung in mein Leben zu bringen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Conal weitere Warnungen brauchte, außerdem konnte ich doch auch auf ihn aufpassen. Dafür war ich schließlich mit ihm hierhergekommen.
„Ich hab über den MacLeod nachgedacht“, sagte ich eines kalten, feuchten Frühlingsmorgens zu Conal.
„Das weiß ich“, erwiderte er. „Habe ich auch gemacht. Aber der Mann ist ein Schurke durch und durch, und ich will hier in keinen Krieg hineingezogen werden. Er ist ständig auf irgendwelchen Raubzügen, stiehlt Rinder, bricht Streit vom Zau n …“
Hier konnte ich einhaken. „Er würde uns als Berufskämpfer einstellen, das weißt du.“
Genau wie die anderen Anführer rief der MacLeod die Männe r – nur die Männer ! – seines Clans zu den Waffen, wenn er in einen ernsthaften Kampf gegen einen Nachbarn zog. Aber für die viel häufigeren Raubzüge und kleinen Scharmützel hielt er sich einen Trupp gut bezahlter Leute, die zwar nicht zu seiner Familie gehörten, ihm aber treu ergeben waren und sich wie wilde Dämonen in die Schlacht stürzten. Nur die Götter wussten, woher diese Söldner stammen mochten. Jedenfalls waren sie seine ganz persönliche Leibwach e – und der Albtraum des gesamten Tals, denn sie fühlten sich außer ihrem Anführer keinem anderen Mitglied des Clans verpflichtet.
Die Leute aus MacLeods Clan konnten gut kämpfen und taten es nur zu ger n – ein Schluck aus der Whiskyflasche genügte, und schon stürmten sie in ihre Bruchbuden, schnappten sich ihre Waffen und stürzten sich zu Ehren ihres Clans und dessen Anführers in die Schlacht. Aber die Leibwächter des MacLeod führten ein besseres
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