Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Leben als die Clanmitglieder. Sie durften in der Burg ihres Herrn hausen und genossen viele Privilegien, denn sie waren nur dazu da, um zu kämpfen. Für mich klang der Posten ziemlich verheißungsvoll.
„Ist doch besser, als ewig im Boden herumzubuddeln“, sagte ich. „Die Hälfte der Ernte müssen wir doch sowieso an den Gutsherrn abtreten.“
„Jetzt übertreibst du.“
Aber nur ein bisschen. „Wir sind die geborenen Kämpfer. Wir wären ihm von großem Nutzen und er würde uns dafür angemessen entlohnen. Hast du dir die Sense, die du zuletzt gebaut hast, mal genauer angesehen? Die war Schrott.“
Conal lachte leise auf, seine Hand schnellte hervor und packte mich am Ohrläppchen.
„Ich bin kein Bauer, Conal“, fuhr ich fort. „Ich bin ein Jäger. Ein Kämpfer.“ Ich hatte es satt, mit einem geliehenen Pferd und einem Gemeinschaftspflug dieses mickrige Stück Land zu beackern. Ich war dazu geboren, für Getreide und Brot mit erlegtem Wild zu bezahlen und mit dem Versprechen, meinen Schwertarm in den Dienst des Bauern zu stellen.
„Du Glücklicher hast noch ein langes Leben vor dir“, sagte Conal und schlug mir spielerisch die Faust in den Arm, was überraschend wehtat. „Du kannst noch alles lernen. Immer nur kämpfen kann den Geist auch träge machen. Manchmal ist es besser, eine Weile still zu sitzen und seinen Verstand zu gebrauchen.“
„Du hörst dich an wie Kate“, sagte ich. „Aber was soll denn gut daran sein, sich erniedrigen zu lassen? Ich habe noch nie erlebt, dass Kate solch eine Erniedrigung geduldet hätte.“
„In dem Punkt werde ich dir nicht widersprechen.“ Conal verdrehte die Augen. „Aber es geht hier nicht um Erniedrigung. Es geht darum, sich in Geduld zu üben.“
„Längst geschehen“, brummte ich.
Conal lachte.
„Was ist daran so komisch?“
„Wenn du das nicht weißt, kann ich dir auch nicht helfen. Außerdem gehen wir doch auch jagen oder etwa nicht?“ Er zog seinen Bogen aus dem Strohdach unserer Hütte, woraufhin ein feiner Regen aus Mäusedreck zu Boden rieselte. „Wo wir gerade davon spreche n – ich hole uns mal was zum Frühstück.“ Damit trottete er zur Tür hinaus in die Morgendämmerung des jungen Tages.
Es war mühsam, das heruntergebrannte Feuer wieder zum Leben zu erwecken, und ich vergaß darüber vollkommen die Zeit. So war ich ziemlich erschrocken, als Conal die Tür aufstieß und hereinstürmte, und zwar so laut fluchend, dass ich zusammenzuckte. Wieso war er schon zurück?
Er hatte weder seinen Bogen noch unser Frühstück in der Hand, dafür ein merkwürdiges Päckchen.
„Was soll ich jetzt tun?“, bellte er. „Was soll ich jetzt bloß tun?“
Behutsam legte er das Bündel auf den Tisch. Sofort fielen die Fetzen auseinander und man konnte sehen, was darin eingehüllt war.
„Ein Säugling“, stammelte ich.
„Ja, ein sterbender Säugling! Irgendeine elende Seele hat ihn die ganze Nacht draußen liegen lassen!“
Ich wich einen Schritt zurück, als wäre der unabwendbare Tod dieses Kindes irgendwie ansteckend.
Conal warf mir einen Blick zu, der mir nicht gefiel, und nahm das Bündel auf den Arm. Das Kind weinte nich t – wann hatte es damit wohl aufgehört? Irgendwann in der Nacht vermutlich. Falls es überhaupt je die Kraft zum Weinen gehabt hatte.
Wir mussten zusehen, wie es starb. Es hatte ohnehin nur noch aus Haut und Knochen bestanden und stank zum Himmel. Conal hielt das Kind noch im Arm, als es längst tot war. Immer wieder strich er ihm über die hohlen Wangen, dann schloss er ihm die Lider über den eingesunkenen Augäpfeln. Schließlich machte auch Conal die Augen zu und drückte das kleine, zerbrechliche Ding an sich. Als könnte es noch etwas spüren, als könnte es durch dieses bisschen verspätete Zuneigung für sein kurzes, erbärmliches Leben entschädigt werden.
„Verdammt noch mal, Set h …“, stieß Conal wütend hervor. „Wir sind doch nicht mehr im antiken Griechenland! Wir schreiben das Ende des sechzehnten Jahrhunderts!“ Er starrte mich mit geröteten Augen an. „Was sind das nur für Leute?“
„Das sage ich doch die ganze Zeit.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Wir müsse n … ähm, was machen sie noch mal mit den Toten?“ Ich schenkte den Gebräuchen der Anderweltler so wenig Beachtung wie möglich, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie ihre Toten nicht den Raubtieren und Vögeln überließen.
„Ich weiß nicht“, sagte Conal, und dann: „Sie begraben sie.“
„In der
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