Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
Vom Netzwerk:
Pony ganz und gar nicht und sofort biss es William herzhaft in die Hand.
    So hatte ich das aber nicht geplant. Und ich wollte schon gar nicht, dass der Trottel jetzt spitze Schreie ausstieß wie ein Mädchen. Im Nu brachte ich ihn mit einem kräftigen Zinnbecherschlag auf den Kopf zum Schweigen. Er sackte augenblicklich in sich zusammen und fiel mit dem Gesicht in den Dreck. Bevor das Pony sich bei all dem Aufruhr aus dem Staub machen konnte, fing ich es ein und schnallte ihm den Beutel mit Ma Sinclairs kärglicher Habe an den Sattel.
    Für falsches Schamgefühl blieb Ma Sinclair jetzt keine Zeit. Eilig raffte sie ihre Röcke hoch, und als ich ihr beim Aufsteigen half, erhaschte ich einen Blick auf ihre opulente Unterwäsche. Ich gab ihr eine Flasche mit Wasser und eine mit Whisky, die sie in den Falten ihres Rockes verstaute.
    „Gehen wir“, sagte ich, griff das Pony am Zaum und führte es so schnell wie möglich davon.
    Als ich mich von Ma Sinclair verabschiedete, stand die Sonne bereits tief am Himmel. Wir waren jetzt so hoch über dem Tal, dass unser Blick über den Ozean bis zum silbern glitzernden Horizont reichte.
    „Tja“, sagte sie. „Mein Wirtshaus werde ich wohl nie wieder sehen. Aber ich danke dir von Herzen. Was wird jetzt nur aus dir?“
    Ich schaute zurück zum Tal. „William Beag hat mich nicht gesehen.“
    „Aber Donal.“
    „Schon, aber ich bin doch nur ein Dorftrottel. Sie werden denken, dass du William niedergeschlagen hast“, sagte ich mit einem Achselzucken.
    „Stimmt. Dazu wäre ich nicht nur fähig, sondern auch mehr als willens.“
    „Ich komm schon zurecht“, sagte ich bestimmt. „Du solltest jetzt besser losreiten. Weit, weit weg.“
    Sie beugte sich vor und drückte mir einen trockenen Kuss auf die Wange. Ich roch den Whisky in ihrem Atem. „Du und dein Bruder, ihr solltet euch auch davonmachen. Es wird höchste Zeit für euch.“
    Ich nickte mit dem unbehaglichen Gefühl, dass sie mit diesen Worten Recht hatte. Ich drückte ihre sehnige Hand, die auf den Zügeln lag. „Na los.“
    Sie warf mir einen letzten Blick zu und lächelte. „Wusste ich’s doch“, rief sie mir zu.
    „Was denn?“
    „Dass es sich lohnt, wenn man sich gut mit euch stellt. Manchmal ist am Aberglauben eben doch was Wahres dran.“
    „Oh ja“, gab ich zurück.
    Ma Sinclair ließ ihr Pony über den von Ginster überwucherten Boden traben. Unter ihren hochgerafften Röcken lugten ihre nackten Beine hervor. Immer wieder sah ich, wie das Pony mit dem Schweif nach Ungeziefer schlug, bis es schließlich hinter der Hügelkuppe verschwand. Ma Sinclair drehte sich nicht mehr um.
    Ich sah sie nie wieder, den Göttern sei Dank auch nicht in einem stinkenden Verlies oder auf einem prasselnden Scheiterhaufen. Ich stelle mir gern vor, dass sie sich wieder irgendwo niedergelassen hat. Ich kann nur hoffen, dass sie ein Dorf gefunden hat, in dem man ihren Whisky zu schätzen wusste und wo ihre Heilkünste, ihre Zaubertränke und ihre Hexenfratze gern gesehen waren. Möglicherweise hat sie die Hexenverfolgung überlebt und die nächste und übernächste auch. Aber ich weiß es nicht und werde es auch nie erfahren.
    Ich drehte mich um, warf einen Blick auf das Dorf, das wie ein nebliges Gespenst in der Ferne waberte, und lief los.

16. Kapitel

    A uf dem Heimweg hätte ich am liebsten einen großen Bogen um das Dorf gemacht. Aber dann sah ich, wie Massen von Menschen auf den Marktplatz strömten, der bereits vollkommen überfüllt war. Ihre Eile und ihre Stimmen, die sich vor Sensationslust überschlugen, weckten meine Neugier. Ich schlich an den niedrigen Mauern entlang und rannte den Schaulustigen mit gesenktem Kopf hinterher.
    Der Priester stand auf einem Strohballen. Er wartete gar nicht, bis die Leute sich versammelt hatten und zur Ruhe gekommen waren, sondern beschimpfte sie schon von Weitem. Die Dringlichkeit in seiner Stimme trieb sie zu noch größerer Eile an.
    „Worauf wartet ihr?“, schrie er und schlug dabei mit der Faust auf seine alte, lädierte Bibel. „Sollen sie erst kommen und eure Kinder im Dunkel der Nacht aus euren Häusern stehlen?“
    Besorgt blieb ich unter den zerfetzten Enden eines Strohdachs stehen. Diese wenigen Worte hatten genügt, um mir einen Schauer über den Rücken zu jagen. Ich ahnte wohl schon, was nun folgen würde.
    „Wollt ihr abwarten, bis sie eure Neugeborenen ihrem Wolfsrudel zum Fraß vorwerfen?“
    Ein erschrockenes Raunen ging durch die Menge. „Ein Kind haben sie

Weitere Kostenlose Bücher