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Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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Bruder eine Extraportion Peitschenhiebe zuteilwerden lassen, um deine Ankunft gebührend zu feiern. Er ist gut, wirklich sehr gut. Ein einziges Mal nur hat er geschrien. Als wir ihn an den Armen aufgehängt haben.
    Du bist ein toter Mann, dachte ich und ballte die Fäuste. Wie gerne hätte ich jetzt seinen Hals zwischen meinen Fingern gehabt. Aber dieses Vergnügen blieb mir verwehrt. Noch. Ich musste das hier erst überleben, um ihn töten zu können.
    Na los. Du interessierst mich doch gar nicht. Vergiss deinen Bruder, lauf nach Hause, mach schon. Sonst wärme ich mir meine armen, kalten Finger an deinen brennenden Überresten.
    Er reckte die Nase wieder in die Luft, dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging ohne Eile zurück zur Burg und zu seinem Pony.
    Das ist kein Priester , hatte Conal gesagt. Und ich hatte gedacht, er wollte wieder einmal nur meine Wortwahl verbessern. Das ist ein Seelsorger, kein Priester, du tumber Grünschnabel.
    Aber das war es ganz und gar nicht gewesen, was er gemeint hatte. Ein unkontrollierbarer Schauer durchlief meinen Körper.
    Das ist kein Priester .
    Kaum jemand scherte sich um die Westseite der Burg. Wer auch immer auf dieser Seite in den Kerkern vor sich hin vegetierte und die stummen Mauern anschrie, hatte jedenfalls keinen Bruder, der ihm zur Flucht verhelfen wollte. Nur noch wenige Wachleute waren dort postiert, sofern man die Clansmänner überhaupt als Wachleute bezeichnen konnte. Sie hatten sich mittlerweile in Rage geredet und zerrissen sich das Maul über die angeheuerten Söldner des Priesters, und das derart eifrig, dass sie offenbar auf nichts anderes achteten. Sie meckerten und zeterten und tauschten ihre Fläschchen untereinander, und dann und wann trollte sich einer zum Pinkeln, lustlos, weil man ihnen durch das Abdecken des Gitters den ganzen Spaß verdorben hatte. Ihre Waffen ließen sie jedes Mal achtlos zurück. Darunter waren ein paar fremdartige Waffen, bei denen ich bezweifelte, dass sie überhaupt mit ihnen umgehen konnten. Einige der Waffe n – ein paar Pistole n – kannte ich noch nicht einmal, geschweige denn ihre Durchschlagskraft. Sie waren mir bis dahin noch nicht untergekommen. Mit einigen der anderen Waffen hingegen konnte ich bestimmt geschickter umgehen als alle anderen hier. Und einer der Wächter war so betrunken, so übermüdet, so empört über die hochnäsigen Söldner, dass ihm das Fehlen seiner Armbrust gewiss gar nicht auffallen würde.
    Aus den Zweigen eines Haselnussstrauches schnitzte ich mir ein paar Bolzen, polierte sie blank und feilte sie so spitz zu, dass sie jeder Hexenahle hätten Konkurrenz machen können. Ich ließ mir Zeit dabei; was hätte ich auch anderes tun können. Ein Tag verging und noch einer. Dann hatte ich einen mächtigen Vorrat an Geschossen, mehr als ich brauchte, jedes Einzelne perfekt ausbalanciert und tödlich. Als ich fertig war, blinzelte ich in das fahle Blau der Morgendämmerung. Die Wolken hatten sich endlich verzogen, es würde ein brütend heißer Tag werden. Conal würde heute nicht sterben. Denn heute würde der Priester keinen Fuß in den Innenhof setzen.
    Zumindest nicht, bevor die Schatten länger wurden.
    Ich hatte mir mein Waldlager auf einer hübschen grünen Lichtung eingerichtet, auf der es summte und brummte. Es roch nach Sommer, nach Regen, nach Frische. Licht und Schatten spielten in den Wipfeln, Vögel zwitscherten und trällerten um die Wette. Was für ein herrlicher Tag! Zu schön zum Sterben, zu schön zum Töten.
    Aber die Schatten würden unausweichlich länger werden.
    Ich stellte mich mit der Armbrust mitten auf die Lichtung. Das Gras war kühl unter meinen nackten Füßen und trotz der Wärme noch feucht vom Morgentau. Ich hockte mich im Schneidersitz hin und ließ beim Gesang der Vögel um mich herum die Wirklichkeit langsam hinter mir. In Gedanken schlenderte ich in den Burghof, schritt ihn im Geiste ab, zählte die Pflastersteine, maß die Zeit für jeden meiner Schritte. Ich hatte Wachposten, Clansmänner, Gefangene dabei beobachtet, wie sie sich im Hof bewegten; jetzt ließ ich sie in der Erinnerung noch einmal an mir vorbeiziehen, ging mit ihnen, passte meine Schritte den ihren an. Ich saß da, schaute und maß, und schließlich stand ich auf, öffnete die Augen und schritt die Länge des Burghofs auf der Lichtung ab, die gestohlene Waffe gegen meine Brust gedrückt.
    Als ich die Entfernung verinnerlicht hatte, schnallte ich mir die Armbrust auf den Rücken und kletterte

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