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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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instinktiv den schwarzen Mantel enger um die Schultern. Dennoch konnte er schlagartig besser atmen, als hätte ihm dort drinnen etwas die Luft genommen. Und es war nicht der Gestank und die erdrückende Enge des unterirdischen Kerkers gewesen.
    »Sie wurden von unserem Kommen benachrichtigt?«, fragte Andrej. Aber von wem?
    Scalsi nickte knapp und schüttelte dann gleich den Kopf. »Ich habe Euch erwartet«, sagte er. »Um ehrlich zu sein, habe ich schon viel eher mit Eurem Kommen gerechnet. Was hat Euch aufgehalten?«
    Andrej wollte antworten, doch Abu Dun kam ihm auch jetzt wieder zuvor. »Vielleicht der Umstand, dass wir nach einem Spital gesucht haben und nicht nach …« Er sah sich demonstrativ missbilligend um, »dem hier. «
    Scalsi ließ sich nicht dazu herab, ihn anzusehen, antwortete aber trotzdem: »Das hier war einmal ein Gefängnis«, sagte er ungerührt. »Aber das ist lange her.«
    »Es ist dennoch ein seltsamer Ort«, sagte Andrej.
    Scalsi hob auf eine Art die Schultern, die es überflüssig werden ließ, eigens auszusprechen, wie wenig ihn diese Einschätzung interessierte. Dennoch antwortete er auch jetzt wieder und machte eine einladende Geste auf eine schmale Tür auf der anderen Seite des Hofes. »Früher einmal war dies Teil eines Kerkers, und später diente es wohl auch als Folterkammer und Hinrichtungsstätte. Ein dunkler Ort aus der dunklen Zeit, um den sich noch dunklere Geschichten ranken.«
    Er zuckte abermals mit den Schultern, als wollte er auch ganz sichergehen, dass Andrej verstand, wie gleichgültig ihm die Geschichte dieses Ortes war. »Ihr dürft nicht alles glauben, was die Leute reden.«
    »Und Ihr haltet es für eine gute Idee, an einem solchen Ort ein Spital zu betreiben?«, fragte Abu Dun. »Das ist doch ein Spital, oder?«
    »Es ist vor allem kalt«, mischte sich Corinna ein. »Warum besprechen wir das alles nicht in Eurem Büro, Dottore? Dort gibt es wenigstens einen Kamin.«
    »Selbstverständlich, Contessa«, sagte Scalsi erschrocken. »Verzeiht. Wie dumm von mir.«
    Er eilte unerwartet leichtfüßig los, öffnete die Tür, auf die er gerade gedeutet hatte, und verschwand in der Dunkelheit dahinter.
    »Contessa?« Andrej hielt Corinna fest, als sie dem Arzt folgen wollte.
    »Oh, das.« Corinna lachte. »Der Dottore ist ein unverbesserlicher alter Charmeur. Für ihn ist jede Frau eine Contessa. Mindestens.« Sie versuchte sich loszumachen, und nach einem Augenblick ließ Andrej es auch zu. »Lassen wir den armen Dottore nicht unnötig warten. Er ist immer schrecklich beschäftigt … und es ist wirklich kalt.«
    Andrej wartete, bis sie Scalsi gefolgt war und auch Schwester Innozenz den Hof durch eine andere Tür verlassen hatte, schüttelte aber auch fast unmerklich den Kopf, als sich Abu Dun ebenfalls in Bewegung setzen wollte. »Was soll das, Pirat?«, fragte er scharf, dennoch im Flüsterton. »Warum bist du so feindselig?«
    »Weil hier etwas nicht stimmt«, antwortete Abu Dun. »Und erzähl mir nicht, dass es dir nicht aufgefallen ist! Sieh dich doch hier um! Meruhe würde den Jungen doch niemals in einem solchen … Loch lassen!«
    Andrej konnte schwerlich widersprechen. Er versuchte es trotzdem. »Sie wird ihre Gründe gehabt haben.«
    »Ach?«, sagte Abu Dun. »Nenn mir einen.«
    Andrej zuckte die Achseln und hoffte, dass Abu Dun ihm seine wahren Gefühle nicht ansah. Dass hier »etwas nicht stimmte«, war eine schon fast groteske Untertreibung. Dass er hier draußen nicht nur das Gefühl hatte, sondern tatsächlich freier atmen konnte, lag nicht nur an der stickigen Luft und der Enge des Kellers. Dieses Gebäude machte ihm Angst oder flößte ihm zumindest Unbehagen ein.
    »Fragen wir den Dottore« ,sagte er. »Vielleicht weiß er mehr.«
    »Ja, ganz gewiss.« Abu Dun schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, dass es klatschte. »Warum ist mir das nicht selbst eingefallen? Wo er doch ein so liebenswürdiger alter Mann ist!«
    Doch Andrej beeilte sich nur, Corinna und dem greisen Arzt zu folgen, die in einem winzigen Raum hinter der Tür auf sie warteten. Hier drinnen war es nicht so stickig wie in Marius’ Kellerverlies, aber womöglich noch dunkler – erst recht, als Abu Dun, der hinter ihm eingetreten war, die Tür schloss, um die Kälte auszusperren. Es gab keine Fenster, und das einzige Licht kam von einer kleinen Sturmlaterne, die Scalsi in der rechten Hand trug und so tief hielt, dass sie Corinnas und sein Gesicht von unten beleuchtete, was nicht

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