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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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ärmlichen Häuser, die die schmale Straße säumten. Auf den ersten Blick sah es so aus, als suche sie nach etwas Bestimmtem, vielleicht jemandem, aber schon im nächsten Moment war Andrej nicht einmal mehr so sicher. Er dachte zurück an die Worte der Wirtin, und mit einem Male kamen sie ihm gar nicht mehr so falsch vor.
    »Es ist nicht die Gegend, in der du sonst arbeitest, was?«, fragte er geradeheraus.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Du siehst aus, als wärst du … eine andere Umgebung gewohnt.«
    »Es scheint ziemlich schwierig zu sein, etwas vor dir geheim zu halten«, sagte Corinna.
    Was umgekehrt nicht der Fall war, dachte Andrej, zwang sich aber trotzdem zu einem schiefen Lächeln. »Muss ich mir jetzt Sorgen machen? Unseretwegen, meine ich?«
    »Unseretwegen?«
    »Immerhin lebe ich hier.«
    »Vorübergehend, nehme ich an, und durch widrige Umstände bedingt«, sagte Corinna. »Und außerdem: Findet man nicht auch die prachtvollsten Diamanten stets dort in der Erde, wo es am dunkelsten und schmutzigsten ist?«
    »Ich gebe auf«, seufzte Andrej. »Was Schmeicheleien angeht, seid Ihr mir überlegen, Signorina.«
    »Und nicht nur, was Schmeicheleien angeht«, erwiderte Corinna lachend. Sie deutete mit dem Kopf zum Kanal. »Ich weiß nicht, wo diese Muschelfischer zu finden sind, aber ich kann noch einmal mit dem Mädchen reden, das mich mit Balean zusammengebracht hat.«
    »Vertrauenswürdige Verbündete sind immer wertvoll«, sagte Andrej spöttisch.
    Er sah, wie ihre Augen zornig aufblitzten, aber sie antwortete trotzdem und mit ruhiger Stimme: »Sie kann uns sicherlich sagen, wo wir seine Familie finden. Ich nehme doch an, dass Abu Dun auf der Suche nach ihnen ist. Ich an seiner Stelle würde es tun.«
    Ja, dachte Andrej und unterdrückte ein eisiges Frösteln. Das würde wohl jeder. Aber kaum jemand wäre imstande, das zu tun, was Abu Dun vielleicht tat, wenn er ihn nicht vorher fand und aufhielt.

Kapitel 9
    Wie es aussah, dachte er missmutig, würde er Corinnas Angebot, ihnen finanziell unter die Arme zu greifen, vielleicht doch noch annehmen müssen. Dies war nun bereits das dritte Boot, das sie mieteten, und obwohl Corinna mit einer Hartnäckigkeit gefeilscht hatte, die jeder Marktfrau aus Abu Duns Heimat zur Ehre gereicht hätte, war sein Geldbeutel bereits spürbar leerer geworden, nachdem er die Überfahrt bezahlt hatte. Mit der Bezahlung der Rückfahrt würde sich ihre Barschaft tatsächlich halbiert haben. Dabei wusste er noch nicht einmal, ob sein Geld gut angelegt war.
    Als er die Ansammlung der von Wind und Salzwasser angenagten, ärmlichen Bretterbuden betrachtete, zu denen der schmale Steg führte, kamen ihm ernsthafte Zweifel. Sie waren auf der Suche nach Muschelfischern, und auch wenn er keine rechte Vorstellung von diesem Beruf hatte, so schienen in diesen Verschlägen doch keine Menschen zu leben oder auch nur einmal gelebt zu haben.
    »Soll ich warten, Signore?«, erkundigte sich der Bootsführer, der sie hergebracht hatte, ein Mann von gut sechzig Jahren, der so dürr war, dass sich Andrejs Gewissen rührte, weil er sich von ihm über das eisige Wasser rudern ließ. Das Gefühl verging allerdings rasch, als er ihnen die Summe nannte, die er für seine Dienste verlangte.
    »Ich bin … nicht ganz sicher«, antwortete er ausweichend. »Einen Moment Geduld noch.«
    Im Grunde glaubte er zu wissen, dass sie den Jungen und seine Familie auch hier nicht finden würden. Corinna hatte sie noch einmal zurück in die Carampane gebracht (und damit in das bedeutendste Rotlicht-Viertel der Stadt, wie er inzwischen wusste) und war dann wieder für eine geraume Weile verschwunden. Andrej hatte diese Zeit nicht in einem Gasthaus wartend verbracht, sondern frierend draußen in der Kälte. Gefühlt waren es sicherlich mehrere Stunden gewesen, in Wahrheit wohl nicht einmal eine halbe. Auch heute herrschte dasselbe fröhliche Treiben und Lärmen und Kommen und Gehen wie bei seinem ersten Besuch. Die Musik kam ihm heute sogar lauter vor, und es gab eindeutig noch mehr Farben in Form von bunten Tüchern und Markisen und sogar eine Anzahl bunter Blumen, über deren Herkunft zu dieser Zeit des Jahres er sich vergeblich den Kopf zerbrochen hatte. Doch heute trafen ihn zwar neugierige, manchmal auch kritische, wenn nicht gar misstrauische Blicke, die vermutlich seinem abgerissenen Aussehen galten. Aber die offene Feindseligkeit fehlte, die Abu Dun und ihm noch vor Kurzem entgegengeschlagen war.
    Oder um genauer

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