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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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das Anreißen eines Zündholzes. In dem Lichtschein wirkte sein Gesicht wie eine große Flamme. Und dann trat neben ihn eine Gestalt, ein junger Bursche, der ihm eine Kerze reichte. Der Anblick des Jungen brachte mir mit einem Mal die Erscheinung der nackten Frau auf der Bühne wieder zum Bewußtsein, den hingestreckten Leib, das pulsierende Blut. Und dann wandte er sich um und starrte mich an; der braunhaarige Vampir hatte die Kerze angesteckt und flüsterte dem Jungen zu, er solle gehen. Der Lichtschein fiel auf die fernen Wände, und der Vampir hielt die Kerze in die Höhe und gab uns ein Zeichen, ihm zu folgen. Ich gewahrte eine Unmenge von Fresken und Wandgemälden, die uns umgaben; satt und kraftvoll leuchteten die Farben im tanzenden Schein der Kerze, und nach und nach wurde mir der Inhalt der Bilder klar. Sie zeigten den schrecklichen ›Triumph des Todes‹ von Breughel in einem so riesigen Maßstab, daß sie all die gräßlichen Gestalten im Dämmerlicht über uns emportürmten, jene grausigen Skelette, die wehrlose Tote in stinkende Gräben warfen, Karten voller Schädel zogen, Leichen köpften oder Menschen an Galgen hängten. Eine Totenglocke läutete über der endlosen Hölle verbrannten, rauchenden Landes, in das Heerscharen von Soldaten in einem abscheulichen und rücksichtslosen Marsch zum Massaker zogen. Ich wandte mich ab, doch der Braunhaarige zupfte mich an der Hand und führte mich weiter, um mir den ›Fall der Engel‹ zu zeigen, wo aus himmlischen Höhen Verdammte in ein gespenstisches Chaos von Monstren getrieben wurden, die sich an ihnen gütlich taten. Ich erschauerte, so lebendig, so deutlich war alles. Die Hand berührte mich abermals, doch ich blieb mit Absicht stehen und blickte an dem riesigen Wandgemälde hoch, wo ich die Umrisse zweier wunderschöner Engel ausmachen konnte, die Posaune bliesen. Und für einen kurzen Moment war der Zauber gebrochen. Ich erinnerte mich an den Abend, als ich Notre-Dame zum ersten Mal betreten hatte; doch dann verschwand dieses Bild wie etwas Zartes, Wertvolles, das man mir entriß.
    Die Helligkeit der Kerze nahm zu und mit ihr der Schrecken, der mich umgab: die stummen, teilnahmslosen, erniedrigten Verdammten von Hieronymus Bosch, die aufgedunsenen, eingesargten Entseelten von Traini, die monströsen apokalyptischen Reiter von Dürer und eine lange Galerie mittelalterlicher Holzschnitte, Mosaike und Kupferstiche in einem Maßstab, der alles Erträgliche überschritt. Die ganze Decke war angefüllt mit Skeletten und vermodernden Leichen, mit Dämonen und Folterinstrumenten, als sei dies die Kathedrale des Todes selbst.
    Als wir schließlich in der Mitte des Raumes standen, schien das Licht der Kerze alles um uns herum zum Leben zu erwecken. Der Wahn dräute, eine schreckliche Verschiebung des Raumes setzte ein, ein Gefühl des Fallens. Ich berührte Claudia. Sie war teilnahmslos, mit leerem Blick in Gedanken versunken, als wolle sie in Ruhe gelassen werden; und dann jagte sie davon, mit trommelnden Schritten, die von den Wänden widerhallten wie Finger, die an meine Schläfen, an meinen Schädel trommelten. Ich hielt meine Hände an die Schläfen, starrte stumm auf den Boden, suchte nach Schutz, als zwänge mich ein Blick nach oben, irgendein erbärmliches Leid mit anzusehen, das ich nicht ertragen wollte, ertragen konnte. Dann wieder erkannte ich das Gesicht des Vampirs, das in der Flamme verschwamm, seine ewig jungen Augen, von dunklen Wimpern gesäumt. Seine Lippen waren ganz und gar ruhig, doch er schien zu lächeln, als ich ihn anstarrte, ohne sich auch nur zu regen. Ich betrachtete ihn um so angestrengter, war überzeugt, einer mächtigen Sinnestäuschung anheimgefallen zu sein, derer ich mich entziehen könnte; doch je eindringlicher ich ihn ansah, um so mehr schien er zu lächeln und sich schließlich angeregt zu fühlen, fast lautlos zu flüstern, zu singen. In der Dunkelheit vernahm ich es wie ein Kräuseln, so wie Lack sich vom Gesicht einer brennenden Puppe kräuselt. Ich verspürte den Drang, nach ihm zu greifen, ihn zu schütteln, damit sich dieses reglose Gesicht endlich bewegen, sich zu dem leisen Singen bekennen würde. Und plötzlich fand ich mich an ihn gepreßt, sein Arm umfing mich, ich konnte seine Wimpern glänzen sehen, die die glühenden Augäpfel umrahmten, so nahe war er mir, ich spürte seinen weichen, geruchlosen Atem auf meiner Haut. Es war der Wahn.
    Ich bewegte mich fort, wollte von ihm loskommen, und doch wurde ich zu

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