Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir
mich noch, wie ich mich an der Wand entlangschleppte und einen großen Eichenstuhl fand, in dem ich beinahe zusammenbrach. Mir kam es so vor, als ob Claudia in der Nähe sei und zu jemandem mit lieblicher und besänftigender Stimme sprach. Durch meine heiße Stirn pulsierte das Blut.
›Komm mit min, sagte der braunhaarige Vampir. Und dann stiegen wir drei, voran Claudia, über eine lange steinerne Treppe tiefer hinab unter die Stadt. Die Luft wurde kühler, erfrischender und roch nach Wasser, ich konnte die Tropfen sehen, die durch die Steine drangen, wie goldene Perlen schimmerten sie im Schein der Kerze.
Er führte uns in ein kleines Zimmer, in dem ein Kaminfeuer brannte. Gegenüber war ein Bett, in einer Felsnische, die sich mit zwei Gittertüren aus Messing verschließen ließ. Zuerst sah ich alles klar und bemerkte eine große Bücherwand, einen Schreibtisch und auf der anderen Seite einen Sarg. An den Wänden hingen Bilder und, wie ein Kruzifix, ein holzgeschnitzter mittelalterlicher Teufel. Der Vampir bat mich, in einem Ledersessel Platz zu nehmen.
Ich spürte die starke Hitze des Feuers an meinen Beinen, aber es kam mir gut vor, es war ein so deutliches Gefühl, etwas, das mich aus meiner Verwirrung befreien konnte. Ich lehnte mich zurück, die Augen halb geschlossen, und versuchte zu erkennen, was mich umgab. Mir war, als sei das Bett eine Bühne, auf der jener Junge auf leinenen Kissen lag, sein schwarzes Haar in der Mitte gescheitelt, mit Locken über den Ohren; in seinem verträumten fiebernden Zustand glich er den geschmeidigen androgynen Geschöpfen, die Botticelli gemalt hat; und an ihn geschmiegt, ihre kleine weiße Hand auf seinem rötlichen Fleisch, lag Claudia, ihr Gesicht in seinem Hals vergraben. Vor dem Bett stand der gebieterische braunhaarige Vampir mit gefalteten Händen; und als Claudia sich erhob, schauderte der Junge. Der Vampir hob sie hoch, sanft, so wie ich sie gehoben hätte, und ihre Hände fanden an seinem Hals Halt, ihre Augen waren halb geschlossen vor Verzückung, ihre Lippen rot vom Blut. Er setzte sie behutsam auf den Schreibtisch, und sie lehnte sich gegen die ledergebundenen Bücher, ihre Hände fielen anmutig in den Schoß ihres lavendelfarbenen Kleides. Die Gitter vor dem Jungen schlössen sich, und er schlief ein.
In dem Raum war irgend etwas Beunruhigendes, und ich wußte nicht, was es war. Ich wußte in Wahrheit nicht, was mit mir los war, ich wußte nur, ich war durch eine starke Kraft, entweder meine eigene oder die eines anderen, zweimal aus einem schlimmen, mich verzehrenden Zustand gerissen worden: der verschlingenden Wirkung der grauenhaften Gemälde und dem Töten, dem ich mich - unter den Augen anderer - auf obszöne Weise ergeben hatte.
Ich wußte nicht, was mich jetzt bedrohte, wovor mein Verstand jetzt zu fliehen suchte. Ich schaute auf Claudia, wie sie an den Büchern lehnte, wie sie zwischen den Gegenständen auf dem Schreibtisch saß, dem polierten weißen Totenkopf, dem Kerzenhalter, dem geöffneten Buch, dessen handgeschriebene Pergamentseiten im Licht schimmerten; und dann gewahrte ich über ihr ein gefirnißtes und glänzendes Bild, das einen mittelalterlichen Teufel zeigte, gehörnt und mit Pferdefuß, der drohend über einem Reigen von Hexen schwebte, die ihm huldigten. Das Bild hing unmittelbar über ihrem Kopf, einige lose Haarsträhnen berührten es noch; und sie blickte den braunäugigen Vampir mit großen fragenden Augen an. Plötzlich wollte ich sie hochheben und merkte zu meinem Erschrecken, daß sie steif wie eine Puppe war. Ich starrte auf das monströse Teufelsgesicht, ich konnte den Anblick ihrer schaurigen Unbeweglichkeit nicht ertragen.
›Sie wecken den Jungen nicht, wenn Sie sprechen‹, sagte der braunäugige Vampir. ›Sie sind von weit gekommen. Sie sind lange gereist.‹ Allmählich verflog meine Verwirrung - wie Rauch, der von einem kühlen Luftstrom fortgetragen wurde. Und ich saß wach und ruhig da und sah den Vampir an, der mir gegenübersaß. Auch Claudia sah ihn an. Und er schaute vom einen zum anderen, sein glattes Gesicht und seine friedfertigen Augen erweckten den Anschein, als habe es die ganze Zeit keine Veränderung in ihm gegeben. ›Mein Name ist Armand. Ich ließ Ihnen durch Santiago meine Einladung überbringen. Ich weiß, wer Sie sind, und heiße Sie bei mir willkommen‹.
Ich gab mir Mühe, eine Antwort zu finden, und meine Stimme klang mir seltsam fremd, als ich ihm anvertraute, wir hätten gefürchtet,
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