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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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verlor ich die Selbstbeherrschung und trommelte gegen meine Kerkerwände, versuchte mich umzudrehen und mit aller Kraft meinen Rücken gegen den Deckel zu drücken. Doch es war unmöglich, es war zu eng; mein Kopf fiel zurück, und der Schweiß drang mir aus allen Poren.
    Madeleines Weinen war verklungen. Alles was ich außer meinem eigenen Atem hören konnte, war das Scharren der Füße. Dann wird er morgen nacht kommen ja, morgen nacht -, und sie werden es ihm erzählen, und er wird uns befreien. Der Sarg schwankte. Der Geruch von Wasser drang mir in die Nase, dazu Erdgeruch, deutlich und unverkennbar durch die stickige Hitze des geschlossenen Sarges hindurch. Jetzt wurde er unsanft abgesetzt; meine Glieder schmerzten, und ich rieb mir die Arme, ängstlich darauf bedacht, nicht an den Deckel zu stoßen, nicht zu fühlen, wie nahe er auf mir lastete, damit meine Angst nicht zur Panik würde. Ich dachte, jetzt würden sie mich allein lassen, aber sie blieben; ein anderer Geruch war vernehmbar, scharf und fremd, und ich merkte, daß es Mörtel war und daß sie Ziegelsteine aufschichteten. Langsam hob ich eine Hand, um mir den Schweiß von der Stirn zu wischen. Also gut, dann morgen nacht, redete ich mir ein. Morgen nacht wird er kommen, so lange bleibe ich gefangen, diesen Preis muß ich bezahlen.
    Und dann, um mich abzulenken, dachte ich an Claudia, fühlte ihre Arme um mich in dem schummerigen Licht unserer Zimmer im Hotel Saint-Gabriel, sah die Kurve ihrer Wange vor mir, das sanfte Flattern ihrer Augenlider, spürte die seidige Berührung ihrer Lippen. Das Geräusch der Steine war verklungen, die Schritte verhallten. Und ich rief Claudia und grub die Nägel in die Handflächen und warf den Kopf hin und her, bis mein Nacken schmerzte und bis langsam die Lähmung des Schlafes über mich kam. Und dann war nichts mehr.

 
     
    E ine Stimme weckte mich auf, entfernt und doch deutlich, die zweimal meinen Namen rief. Ich wußte nicht sofort, wo ich war; ich hatte geträumt, etwas Verzweifeltes, das sofort wieder entschwand, etwas Schreckliches, das ich nur zu gern vergaß. Dann öffnete ich die Augen, tastete nach dem Deckel über mir und wußte, wo ich lag, und im gleichen Augenblick, daß es Armand war, der nach mir rief. Ich antwortete ihm, doch meine Stimme schien in mir verschlossen, ich dachte voller Angst, jetzt sucht er mich, und ich kann ihm nicht zurufen, daß ich hier bin. Aber nun war er ganz nahe; ich hörte ihn sprechen und zu mir sagen, ich solle mich nicht fürchten. Dann vernahm ich ein lautes, krachendes Geräusch, die Ziegel stürzten, und einige davon polterten auf meinen Sarg, und da wußte ich, daß er die Mauer beseitigte. Und schließlich war mir, als würden die Schlösser mit den Nägeln, die sie hielten, herausgezogen.
    Das harte Holz splitterte, ich sah einen Lichtfaden schimmern; der Deckel barst, und ich war einen Augenblick geblendet; dann setzte ich mich auf und hielt die Hand vor die Augen.
    ›Beeile dich‹, sagte Armand, ›aber sei leise.‹ ›Wohin gehen wir?‹ fragte ich. Er antwortete nicht, zog mich hoch und half mir hinaus. Wir gingen einen Korridor entlang, und überall waren vermauerte Türen, so wie meine Tür vermauert gewesen war. Ich hatte die Vision von zahllosen Särgen hinter diesen Türen, von Särgen mit Vampiren, die darin verhungerten und vermoderten. Armand öffnete eine Holztür, vorsichtig, damit die Angeln nicht kreischten, und ich sah, daß wir den Gang betraten, der zu einer Klause führte. Doch dann i’ wurde mir etwas Schreckliches bewußt: Er befreite mich, doch mich allein. Ich wollte ihn zurückhalten, ihn befragen, doch er zog mich weiter. Erst als wir aus dem Hause waren, in der Gasse hinter dem Theater, blieb er stehen.
    Er schüttelte den Kopf, noch ehe ich den Mund öffnen konnte. »Ich kann sie nicht retten‹, sagte er.
    ›Wie kann ich ohne sie fortgehend rief ich. ›Man hält sie dort drin fest. Armand, du mußt sie retten, du mußt!‹
    ›Warum sagst du es?‹ erwiderte er. ›Ich habe nicht die Macht, das mußt du verstehen. Sie würden sich alle gegen mich erheben. Louis, ich versichere dir, daß ich sie nicht retten kann. Ich würde dich nur dabei verlieren. Du kannst nicht zurück.‹
    Damit wollte ich mich nicht abfinden. Armand war meine ganze Hoffnung. Doch kann ich ehrlich sagen, daß ich mich nicht mehr fürchtete; ich hatte nur einen Gedanken: Claudia zurückholen oder dabei zugrunde gehen. Es war im Grunde

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