Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
auf einem modernen Operationstisch liegt und narkotisiert wird. Ein zufälliges Mißverständnis seitens eines Eindringlings kann den Tod bedeuten.«
    »Aber wie könnte Lestat Sie umgebracht haben? Er hätte Sie doch nicht dem Licht aussetzen können; er hätte es selber nicht ertragen.«
    »Das stimmt schon; doch er hätte vor mir aufstehen und meinen Sarg zunageln können. Oder ihn in Brand stecken. Die Hauptsache war, daß ich nicht wußte, was er tun konnte oder was er wissen konnte, das ich noch nicht wußte.
    Aber dagegen war nichts zu machen. Ich mußte an die tote Frau und das Kind denken, und die Sonne ging auf, und so hatte ich keine Energie mehr, mit ihm zu streiten, und legte mich zu meinen beängstigenden Träumen nieder.«
    »Sie träumen? Wirklich?«
    »Oft. Manchmal wünsche ich, ich hätte keine Träume. Denn solche Träume, so lang und klar, hatte ich als Sterblicher nicht, und auch nicht solche quälenden Alpträume. In der ersten Zeit nahmen mich diese Träume so gefangen, daß ich das Erwachen so lange wie möglich hinauszuzögern suchte und manchmal stundenlang wach lag und an die Träume dachte, bis die Nacht halb vorbei war; und oft wanderte ich, von ihnen betäubt, umher und bemühte mich herauszubekommen, was sie bedeuteten. Sie waren in mancher Hinsicht so schwer faßbar wie die Träume von Sterblichen. Ich träumte zum Beispiel von meinem Bruder, und er war mir nahe in einem Zustand zwischen Leben und Tod und rief mich um Hilfe an. Und ich träumte von Babette; und oft - fast immer -hatten meine Träume als Hintergrund eine ungeheure Wüste, jene nächtliche Einöde, die ich gesehen hatte, als Babette mich verfluchte. Es war, als gingen und sprächen alle Traumfiguren in dieser trostlosen Heimstatt meiner verdammten Seele. Ich weiß nicht mehr, was ich an jenem Tage geträumt hatte; vielleicht weil ich zu sehr in Erinnerung habe, was Lestat und ich am folgenden Abend besprachen. Ich sehe, du möchtest auch das hören.
    Nun, wie ich sagte, setzte mich Lestat mit seiner neuen Ruhe, seiner Nachdenklichkeit in Erstaunen. Doch nicht an jenem Abend, wenigstens nicht zuerst. Es waren zwei Frauen im Salon. Nur wenige Kerzen brannten auf den kleinen Tischen und dem geschnitzten Büffet, und Lestat hatte den Arm um die eine Frau gelegt und küßte sie. Sie war sehr betrunken und sehr schön, eine große Puppe von einer Frau, mit dunklen Locken, die ihr über die nackten Schultern und die halbentblößte Brust fielen. Die andere saß am Tisch und trank ein Glas Wein. Man konnte sehen, daß sie alle zu Abend gespeist hatten (Lestat hatte es natürlich nur vorgetäuscht - es ist erstaunlich, wie wenig die Leute merken, daß ein Vampir nur so tut, als äße er), und die Frau am Tisch langweilte sich. All dies ließ eine heftige Unruhe in mir aufkommen. Ich wußte nicht, was Lestat vorhatte. Wenn ich einträte, würde die Frau ihre Aufmerksamkeit mir zuwenden. Und was dann geschehen sollte, konnte ich mir nicht vorstellen, es sei denn, daß Lestat meinte, wir sollten sie beide töten. Die Frau auf dem Sofa machte sich schon über seine Küsse lustig, über seine Kälte und daß er sie nicht haben wollte; und die andere sah mit schwarzen Mandelaugen schadenfroh zu. Als Lestat dann aufstand und zu ihr kam und die Hände auf ihre nackten weißen Arme legte, strahlte sie. Er beugte sich nieder, um sie zu küssen, und sah mich dabei durch den Türspalt an, doch nur einen Augenblick, dann setzte er sogleich seine Unterhaltung mit den Damen fort. Dabei blies er die Kerzen auf dem Tisch aus. »Das ist zu dunkel‹, sagte die Frau auf dem Sofa. ›Laß uns allein‹, sagte die andere. Lestat setzte sich neben sie und winkte ihr, auf seinen Schoß zu kommen. Sie tat es, legte den linken Arm um seinen Hals und strich ihm mit der rechten Hand übers Haar. ›Ihre Haut ist eisig‹, sagte sie und schrak ein wenig zurück. ›Nicht immer‹, antwortete er, und dann vergrub er sein Gesicht in ihrem Hals. Ich beobachtete es fasziniert. Lestat war äußerst lasterhaft und sehr geschickt, doch ich wußte nicht, wie geschickt er war, bis er ihr die Zähne in den Hals schlug, mit dem Daumen auf die Kehle drückte und mit dem anderen Arm ihre Hüfte umschlang, so daß er sich satt trinken konnte, ohne daß die andere Frau auch nur eine Ahnung hatte. ›Ihre Freundin kann keinen Wein vertragene sagte er, erhob sich vom Stuhl, setzte die bewußtlose Frau darauf und faltete ihre Arme unter dem Gesicht auf der Tischplatte.

Weitere Kostenlose Bücher