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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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betrachtet. Ihre Zunge bewegte sich zwischen den Zähnen und berührte kurz die Unterlippe, so daß es mir durch und durch ging. Ich schmeckte Blut, und mir war, als fühlte ich etwas Greifbares und Hilfloses in den Händen. Ich begehrte zu töten. Über den Platz gingen Menschen; ich konnte sie hören und riechen. Ich wollte Claudia gerade packen, sie schütteln, damit sie mich ansah, mir zuhörte, als sie sich umdrehte und ihre feuchten großen Augen auf mich heftete. »Ich liebe dich, Louis‹, sagte sie.
    »Dann hör auf mich, ich bitte dich!‹ flüsterte ich und hielt sie fest. »Er wird dich vernichten, wenn du versuchst, ihn zu töten. Es gibt keinen sicheren Weg, du weißt nicht, wie du es machen sollst. Und wenn du dich gegen ihn stellst, wirst du alles verlieren. Claudia, ich kann es nicht ertragen.‹
    Ein kaum merkliches Lächeln spielte um ihre Lippen. »Doch, Louis‹, versicherte sie, »ich kann ihn töten. Und ich will dir noch etwas verraten, ein Geheimnis zwischen dir und mir.‹
    Ich schüttelte den Kopf, doch sie drückte sich fester an mich und senkte die Lider, so daß ihre dichten Wimpern fast die runden Wangen berührten. »Das Geheimnis ist, Louis, daß mich danach verlangt, ihn zu töten. Ich werde es genießen.‹
    Mir fehlten die Worte; ihre Augen sahen mich prüfend an, wie schon so oft in den vergangenen Jahren, und dann sagte sie: »Jede Nacht töte ich Menschen. Ich verführe sie, locke sie an, mit unersättlichem Durst, in einer unaufhörlichen Suche nach irgend etwas… ich weiß nicht, was es ist.. ‹ Sie legte ihre Hand so auf den geöffneten Mund, daß ich ihre weißen Zähne durch die ausgestreckten Finger schimmern sehen konnte. »Und die Leute sind mir gleich, mich kümmert nicht, woher sie kommen und wohin sie gehen - ich treffe sie zufällig auf der Straße, das ist alles. Aber ihn hasse ich! Ich will ihn tot, und ich werde ihn töten! Und ich werde es genießen.‹
    ›Aber Claudia, er ist nicht sterbliche wandte ich ein. »Er ist unsterblich, keine Krankheit berührt ihn, und das Alter hat keine Macht über ihn. Du wagst dich an ein Leben, das bis ans Ende der Welt währen kann.‹
    »Jawohl, genau das ist es!‹ antwortete sie mit einer gewissen Ehrfurcht. »Eine Lebenszeit, die Jahrhunderte überdauern konnte. Soviel Blut, soviel Macht! Glaubst du nicht auch, daß ich seine Macht neben meiner eigenen besitzen werde, wenn ich ihn töte?‹
    Jetzt hatte ich genug. Ich wandte mich von ihr ab und hörte Menschen miteinander flüstern. Es schienen Vater und Tochter zu sein. Vielleicht sprachen sie von uns.
    »Es ist nicht nötige gab ich noch einmal zu verstehen. »Es hat keinen Sinn und geht über jede Vernunft…‹
    »Ach! Menschlichkeit?‹ spottete sie. »Er ist ein Mörder. Ein Raubtier.‹ Sie wiederholte seine eigenen Worte. »Falle mir nicht in den Arm und versuche nicht die Zeit zu wissen, da ich es tun werde, versuche nicht, zwischen uns zu…‹ Sie hob warnend den Arm und packte meine Hand so kraftvoll, daß sich ihre kleinen Finger in mein festes, gequältes Fleisch gruben. »Wenn du dich einmischst, wirst du mich vernichten. Ich darf mich nicht entmutigen lassen.‹
    Sie eilte fort, mit flatternden Haubenbändern und klappernden Sohlen. Auch ich ging weiter, ohne zu beachten wohin, und wünschte, die Stadt möge mich verschlucken, während der wachsende Hunger in mir jede Vernunft überstieg. Teils war ich es leid, ihn zu stillen, teils gierte ich nach der Lust, der Erregung, die alles Bewußtsein auslöschen konnte, und ich dachte nur noch an das Töten, während ich langsam diese Straße hinauf und jene hinunterschritt, wie an einem Faden durch ein Labyrinth gezogen. Nicht ich zog den Faden, sondern der Faden zog mich… Dann machte ich in der Rue Conti halt und lauschte auf ein mir vertrautes, dumpfes Geräusch. Es waren die Fechter über mir in der Fechtschule, deren Schritte und Ausfälle ich hörte, vorwärts und rückwärts, dazu das Klirren ihrer Degen. Durch die hohen, unverhüllten Fenster konnte ich sie sehen, die jungen Männer, wie sie übten und ihre Gänge machten, den linken Arm abgewinkelt wie bei Tänzern, den rechten gestreckt und nach dem Herzen des Gegners zielend, in todbringender Anmut, und alle glichen sie dem jungen Freniére. Einer kam die Treppe herunter - ein Jüngling, fast noch ein Knabe mit einem glatten, runden Kindergesicht, gerötet vom Fechten, und unter dem eleganten grauen Tuchrock und dem Rüschenhemd duftete er nach Eau

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