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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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de Cologne. Ich konnte seine Wärme spüren, als er aus dem halbdunklen Treppenhaus auf die Straße trat. Er lachte leise vor sich hin und sprach fast unhörbar zu sich selber und schüttelte den Kopf, so daß ihm das braune Haar über die Augen fiel. Dann blieb er plötzlich stehen, denn er hatte mich erblickt; er starrte mich an, seine Augenlider zitterten, und er lachte nervös. ›Entschuldigen Sie‹, sagte er auf französisch, ›Sie haben mich erschreckte Doch als er sich zu einer höflichen Verbeugung anschickte und an mir vorübergehen wollte, sah ich, wie sich das Entsetzen über sein rosiges Gesicht breitete; ich konnte förmlich sehen, wie ihm das Herz bis zum Halse schlug, konnte riechen, wie ihm der Schweiß aus allen Poren brach.
    ›Sie haben mich im Licht der Laterne gesehene sagte ich zu ihm. »Und mein Gesicht erschien Ihnen wie die Maske des Todes.‹
    Seine Lippen öffneten sich, doch die Zähne blieben geschlossen, und er nickte unwillkürlich, mit glasigen Augen.
    ›Gehen Sie!‹ sagte ich zu ihm. »Laufen Sie, so schnell Sie können!«

    Der Vampir hielt inne, dann tat er so, als wolle er fortfahren. Er streckte die langen Beine unter den Tisch, lehnte sich zurück und legte beide Hände an die Schläfen.
    Der Junge hatte ihm gegenüber gehockt, mit verschränkten Armen. Jetzt richtete er sich langsam auf und warf einen Blick auf sein Tonband, dann auf den Vampir. »Aber Sie haben in dieser Nacht jemanden getötet«, sagte er.
    »Jede Nacht.«
    »Und warum haben Sie den jungen Mann laufen lassen?«
    »Ich weiß es nicht.« Aber es klang nicht so, als wisse er es tatsächlich nicht, eher
    wie ›Lassen wir das‹. »Du siehst müde aus«, sagte der Vampir. »Und vermutlich ist dir kalt.«
    »Das macht nichts. Im Zimmer hier ist es tatsächlich ein bißchen kalt; ich habe nicht darauf geachtet. Sie frieren nicht, nein?«
    »Nein.« Der Vampir lächelte, und seine Schultern zuckten, als lache er leise. Dann verging eine Weile, während der Vampir nachzudenken schien und der Junge sein Gesicht studierte. Der Vampir richtete seinen Blick auf die Uhr des Jungen.
    »Und Claudia…«, begann er schließlich wieder mit leiser Stimme, »…es ist ihr nicht gelungen, nicht wahr?«
    »Was glaubst du?« Der Vampir lehnte sich zurück und sah den Jungen aufmerksam an.
    »Daß sie… vernichtet… wurde, wie Sie sagten.« Der Junge schluckte nach dem Wort »vernichtet«. »Wurde sie es nicht?«
    »Glaubst du nicht, daß sie dazu imstande war?«
    »Aber Lestat war doch so mächtig. Sie haben selber gesagt, daß Sie nie wußten, was für Kräfte er hatte, welche Geheimnisse er kannte. Wie wollte sie ihn denn töten?«
    Der Vampir schaute den Jungen lange an, mit einem Ausdruck, den dieser nicht enträtseln konnte, so daß er wegblickte, als seien die Augen des Vampirs glühende Lichter. Dann sagte der Vampir: »Warum trinkst du nicht aus der Flasche, die du in der Tasche hast? Es wird dich wärmen.«
    »Ach so… Ja, ich wollte gerade. Ich dachte…«
    Der Vampir lachte. »Du dachtest, es sei nicht höflich?«
    »Ja, das stimmt«, sagte der Junge achselzuckend und lächelte, zog die kleine Flasche aus seiner Jackentasche, schraubte den goldenen Deckel ab und nahm einen Schluck. Dann hielt er die Flasche dem Vampir entgegen und sah ihn fragend an.
    »Danke«, sagte der Vampir lächelnd und hob ablehnend die Hand. Dann wurde sein Gesicht wieder ernst, und er fuhr in seiner Erzählung fort.
    »Lestat war mit einem jungen Musiker befreundet, der in der Rue Dumaine wohnte. Wir hatten ihn bei einem Hauskonzert bei einer gewissen Madame LeClair kennengelernt, und diese Dame, mit der Lestat sich gern gelegentlich unterhielt, hatte dem jungen Mann ein Zimmer in derselben Straße besorgt, wo Lestat ihn häufig besuchte. Du weißt, daß er mit seinen Opfern zu spielen pflegte, ihre Freundschaft suchte und ihr Vertrauen, ja sogar ihre Liebe zu erringen verstand, ehe er tötete. So spielte er offenbar auch mit diesem Jüngling, doch es hielt länger an, als ich je in ähnlichen Fällen beobachtet hatte. Der Musiker komponierte auch, und oft brachte Lestat ein neues Lied von ihm mit und spielte es auf dem Flügel in unserem Salon. Ein sehr großes Talent, doch es war ersichtlich, daß er keinen Erfolg haben würde, denn seine Musik war zu verwirrend. Lestat unterstützte ihn und verbrachte viele Abende mit ihm, führte ihn in teure Restaurants, die er sich allein nicht hätte leisten können, und kaufte ihm das Papier und

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