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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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denkt, daß es geschah. Du hast nicht die Macht. Beide habt ihr sie nicht.‹
    Dies schien Claudia zu verwirren - es war etwas, womit sie nicht gerechnet hatte. Sie schaute Lestat forschend an, und ich konnte sehen, daß sie ihm nicht ganz glaubte. ›Und was hat dir die Macht gegeben?‹ fragte sie ruhig, doch mit einem Anflug von Sarkasmus.
    »Das, meine Liebe, ist eins der Dinge, die du vielleicht nie wissen wirst‹, sagte er. ›Denn sogar die Unterwelt, in der wir leben, muß ihre Aristokratie haben.‹
    ›Du bist ein Lügner‹, sagte sie mit einem kurzen Lachen. Und als er wieder seine Finger auf die Tasten legte, fuhr sie fort: ›Aber du hast meine Pläne umgeworfen!‹
    »Deine Pläne?‹ fragte er.
    ›Ich kam, um Frieden mit dir zu schließen, auch wenn du der Vater der Lügen bist. Du bist mein Vater‹, sagte sie, ›ich will Frieden mit dir machen. Ich möchte, daß es wieder so wie früher ist.‹
    Jetzt war Lestat der Ungläubige. Er warf mir einen Blick zu, dann sah er Claudia an. ›Warum nicht?‹ sagte er. ›Du brauchst nur aufzuhören, mir Fragen zu stellen. Unterlasse es, mir zu folgen und in jeder Gasse nach anderen Vampiren zu suchen. Es gibt keine anderen Vampire! Und hier lebst du und hier bleibst du!‹ Er sah ein wenig verlegen aus, als habe seine eigene erhobene Stimme ihn aus der Fassung gebracht. ›Ich sorge schon für dich. Du brauchst nicht mehr.‹
    ›Und du weißt nicht mehr, und deshalb sind dir meine Fragen unangenehm. Soweit ist alles klar. Also laß uns Frieden schließen, denn weiter ist nichts zu machen. Ich habe ein Geschenk für dich.‹
    ›Hoffentlich ist es eine schöne Frau mit den Talenten, die dir fehlem, sagte er und musterte sie von oben bis unten. Ihre Miene veränderte sich, es war, als verlöre sie zum ersten Mal die Selbstbeherrschung. Doch dann schüttelte sie nur den Kopf und legte die Hand auf seinen Arm.
    ›Mir ist es ernst mit dem, was ich sage‹, erwiderte sie. ›Ich bin es müde, mit dir zu streiten. Der Haß ist die Hölle, die Hölle, wo man in ewiger Feindschaft miteinander lebt. Wir sind nicht in der Hölle. Du kannst mein Geschenk annehmen oder nicht, es ist mir gleich. Nur laß uns ein Ende machen, ehe Louis uns angewidert verläßt.‹ Sie nötigte ihn, vom Klavier aufzustehen, indem sie den Deckel über den Tasten schloß, den Sessel drehte, bis seine Augen ihr zur Tür folgten.
    ›Du meinst es ernst‹, sagte er. ›Ein Geschenk - was meinst du damit?‹ Sie sagte: ›Du hast nicht genug getrunken. Ich sehe es dir am Gesicht an, an den Augen. Du bist zur Stunde noch nicht gesättigt. Ich kann dir etwas Köstliches geben. Lasset die Kindlein zu mir kommend wisperte sie und ging hinaus.
    Lestat blickte mich an, doch ich konnte nichts sagen. Ich war betäubt, als hätte ich eine Droge genommen. Aber ich sah die Neugier in seinen Augen und auch das Mißtrauen. Er folgte Claudia über den Korridor, und dann hörte ich ihn laut stöhnen, eine erschreckende Mischung von Hunger und Verzückung.
    Als ich die Tür erreichte, beugte er sich über das Sofa. Zwei kleine Knaben lagen darauf, in die weichen Samtkissen gebettet, tief in ihren Schlaf versunken, wie nur Kinder schlafen können, die rosigen Münder offen. Die Gesichter waren glatt und glänzend, ein wenig feucht, und dem einen klebten die dunklen Locken an der Stirn. An ihrer ärmlichen und gleichen Kleidung sah ich, daß es Waisenkinder waren. Sie hatten ein Mahl verzehrt, auf unserem besten Porzellan, das noch auf dem Tisch stand. Das Tischtuch war mit Wein befleckt, und eine kleine Flasche stand halb voll zwischen den abgegessenen Tellern. In der Luft lag ein abstoßender Geruch. Ich trat näher, um die Schläfer besser zu betrachten, und sah, daß ihre Kehlen entblößt, doch unberührt waren. Lestat war neben einem niedergekniet, dem Dunklen, bei weitem Hübscheren. Der Knabe hätte aus einem Deckengemälde in einer Kirche sein können, nicht älter als sieben Jahre und von der geschlechtslosen Schönheit eines Engels. Lestat legte seine Hand sanft auf die weiße Kehle und berührte die seidigen Lippen. Dann stieß er einen Seufzer aus, einen Seufzer schmerzlichen Verlangens. ›Ach, Claudia…‹, flüsterte er, ›du hast dich selbst übertroffen. Wo hast du sie gefunden?‹
    Claudia gab keine Antwort. Sie hatte sich in einem dunklen Sessel niedergelassen, gegen zwei Kissen gelehnt, die Beine auf einem runden Sitzpolster ausgestreckt; ihre Füße lagen so da, daß man ihre schlanken

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