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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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›Louis, komm!‹, und als sie in der Dunkelheit zu verschwinden drohte, sprang ich schnell vom Wagen, nahm die Laterne aus ihrem Halter und stand neben ihr.
    ›Spürst du nicht die Gefahr?‹ flüsterte ich. ›Atmest du sie nicht mit der Luft ein?‹ Sie lächelte, ein schnelles, flüchtiges Lächeln, wie ich es schon tausendmal bei ihr gesehen hatte, und zog ihr Cape fester zusammen, als sie auf die Böschung zuging. Die Laterne bahnte einen dünnen Pfad durch den schwarzen Wald.
    Ich rief: ›Warte einen Augenblick!‹
    ›Die Furcht ist dein Feind‹, antwortete sie und schritt dem Lichtstrahl voran, sicher auf den Füßen, auch als das hohe Gras allmählich niedrigen Geröllhaufen Platz machte, der Wald dichter wurde und der Turm in dem Geäst der Zweige über uns verschwand. Schon bald erstarb das Geräusch der Pferde im leisen Wind. ›Sei auf der Hut‹, flüsterte Claudia, während sie unaufhaltsam weiterging und nur dort hin und wieder stehenblieb, wo dichter Wein und Felsen Schutz zu bieten schienen. Die Ruinen waren sehr alt. Ob die Pest, ein Feuer oder fremde Eindringlinge die Stadt verwüstet hatten, konnten wir nicht wissen. Nur das Kloster war stehengeblieben. Jetzt flüsterte etwas im Dunkel, das weder Wind noch Blätterrauschen war - ein Wasserfall, der vom Berg hinunterrieselte und sich in einem Becken sammelte. Claudias Silhouette hob sich davor ab; sie klammerte sich an eine nackte Wurzel in der feuchten Erde und erkletterte mit Händen und Füßen eine überwachsene Klippe. Das Wasser war kühl und gab der Luft um uns Duft und Frische, so daß ich einen Augenblick stehenblieb, um tief zu atmen. Nichts um mich herum bewegte sich. Ich lauschte, nahm aber nur das leise Säuseln der Blätter wahr, sonst regte sich nichts. Und dann spürte ich, daß die Nacht leblos war, totenstill, wie ein kalter Schleier, der sich langsam über Arme, Hals und Gesicht legte. Es war, als hielten sich selbst die Vögel und all die unzähligen anderen Kreaturen von diesem Ort fern. Claudia, über mir, griff nach der Laterne und streckte die Hand nach mir aus, als könne sie mir hinaufhelfen. Und dann war ich oben, und es ging weiter, und dann verklang das Plätschern des Baches und das Säuseln des Windes, und das Rascheln der Blätter hörte auf. »Fühlst du es?‹ flüsterte ich. ›Es ist zu still.‹
    Sie drückte meine Hand, wie um zu sagen ›Sei ruhig!‹ Der Hang wurde steiler, und die Stille war beängstigend. Etwas bewegte sich, und unwillkürlich zog ich Claudia enger an mich; doch es war nur eine Eidechse, die durch das Gras schoß. Endlich schien sich der Wald vor uns zu öffnen; Claudia löschte die Laterne und sagte: ›Schließ einige Sekunden die Augen, und öffne sie wieder, dann siehst du besser.‹
    Ich gehorchte und hielt Claudia fest, und dann sah ich tatsächlich hinter den Baumstämmen die breiten, niedrigen Mauern des Klosters und den schweren, viereckigen Turm. In der Ferne schimmerten über dem weiten schwarzen Tal die schneebedeckten Gipfel der Berge. ›Komm!‹ befahl Claudia, ›und ganz ruhig, als sei dein Körper ohne Gewicht.‹ Und ohne zu zögern, ging sie auf die Mauern zu, furchtlos, was immer dort auf uns warten mochte.
    Wir fanden ein Tor, noch schwärzer als die Mauern, von wildem Wein umrankt, als solle er die modrigen Steine festhalten. Durch das offene Dach sah ich zwischen den Wolkenstreifen ein schwaches Sterngefunkel. Eine große Treppe führte zu den Räumen des Klosters, die übriggeblieben waren. Claudia stand still, als sei sie selber zu Stein geworden. Sie lauschte, und ich lauschte mit ihr.
    ›Hörst du es?‹ wisperte sie. ›Horch!‹
    Es war so leise, daß kein Sterblicher es hätte vernehmen können. Und es kam nicht aus den Ruinen, sondern von weiter her, nicht den Waldweg von der Straße, den wir genommen hatten, sondern einen anderen Weg, direkt vom Dorf. Ein Rascheln nur, ein Scharren, doch anhaltend, und dann war es wie das feste Auftreten eines Fußes. Die Tritte wurden lauter, und ich merkte, daß ein Fuß wohl nachgeschleppt wurde. Es war ein hinkender Schritt, der näher und näher kam. Ich fühlte, wie mir das Herz in der Brust schlug und die Schläfenadern sich spannten, als ich wie gelähmt dastand.
    Dann trug der Wind einen schwachen Duft heran. Es war Blutgeruch, ohne Zweifel, der mich aufrüttelte, der warme, süße Duft menschlichen Blutes; und dann roch ich lebendiges Fleisch und hörte dazu im Takt mit den Füßen ein trockenes heiseres

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