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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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verborgen. ›Euer Dorf ist von dem Vampir befreit!‹ sagte ich zu der Wirtin, die mich erstaunt anblickte. Ich hielt das Kruzifix in der Hand, das sie mir gegeben hatte. ›Er ist tot. Dank sei Gott! Was von ihm übrig ist, könnt ihr im Klosterturm finden. Sagen Sie es den anderen.‹ Und ich trat ein.
    Sofort war ich von den neugierigen Bauern umdrängt; doch ich sagte, ich sei schrecklich müde, ich müsse beten und ausruhen. Man solle die Kiste von unserem Wagen in ein Zimmer bringen, wo ich schlafen könne. Aber ich erwartete eine Botschaft vom Bischof von Warna, und in diesem Falle, doch nur dann, wolle ich geweckt werden. ›Sagen Sie dem Klosterbruder, wenn er kommt, daß der Vampir tot ist; geben Sie ihm zu essen und zu trinken und bitten Sie ihn, auf mich zu warten.‹ Die Frau bekreuzigte sich. ›Sie verstehen^ fuhr ich fort, während ich zur Treppe eilte, ›daß ich von meinem Auftrag erst sprechen konnte, nachdem der Vampir…‹
    ›Ja, ja‹, nickte sie, ›aber Sie sind kein Priester… das Kind…‹ ›Nein, doch ich besitze Erfahrung in diesen Dingen. Die unreinen Geister sind mir nicht gewachsene Ich stutzte. Die Tür des Hinterzimmers war offen, auf dem Tisch ein weißes Tuch. ›Ihr Freund…‹, sagte die Frau und blickte zu Boden, ›er ist auf und davon in der Nacht… er war von Sinnen.‹ Ich nickte nur.
    Ich konnte die Leute rufen hören, als ich oben die Tür des Zimmers hinter mir schloß. Sie schienen in alle Richtungen zu laufen, und dann erklang das scharfe Geläut der Kirchenglocke. Claudia blickte mich ernst an, während ich die Tür verriegelte, die Fensterläden öffnete und kalte Luft hereinließ. Dann war sie an meiner Seite, hielt mir ihre Hand hin und sagte: ›Hier!‹ Ich fühlte mich so schwach, daß ihr Gesicht vor mir verschwamm und ihre blauen Augen auf ihren weißen Wangen zu tanzen schienen.
    ›Trink!‹ wisperte sie und drängte sich noch näher an mich. ›Trink!‹ Und sie hielt mir das zarte Fleisch ihres Handgelenks an den Mund. Ich sagte: ›Nein, ich weiß, was ich zu tun habe, habe ich es nicht früher oft getan?‹ Jetzt war sie es, die das Fenster schloß und die Läden verriegelte. Ich erinnere mich, daß ich an dem kleinen Kamingitter kniete und das alte Paneel befühlte. Das Holz war morsch hinter der gefirnißten Oberfläche und gab unter meinen Fingern nach; ich stieß mit der Faust hindurch und fühlte die Splitter am Handgelenk. Und dann griff ich ins Dunkel und hielt etwas Warmes, Pulsierendes in der Hand. Eine Welle kühler, feuchter Luft berührte meine Stirn, und Finsternis, kühl und feucht, umgab mich, als wäre diese Luft ein stilles Wasser, das durch die zerbrochene Wand drang und den Raum erfüllte. Das Zimmer verschwand. Ich trank von einem nie versiegenden Strom warmen Blutes, der durch meine Kehle floß, durch mein klopfendes Herz und meine Adern. Jetzt floß das Blut, das ich trank, schwächer, und mein ganzer Leib schrie, der Pulsschlag möge nicht ermatten, und mein Herz klopfte und versuchte, jenes Herz im Gleichklang mit ihm schlagen zu lassen. Ich fühlte mich aufstehen, als schwebte ich in der Dunkelheit, und dann begann die Dunkelheit, wie der Herzschlag, nachzulassen. Etwas flimmerte in meiner Ohnmacht; es zitterte leicht zu dem Beben von Schritten auf der Treppe und den Dielen, dem Rollen von Rädern und Stamp fen von Hufen, und es gab einen leisen Klingelton dabei. Es hatte einen schmalen Holzrahmen, und aus dem Rahmen trat durch das Flimmern hindurch die Gestalt eines Mannes. Er war mir vertraut; ich kannte die hohe, schlanke Figur, das schwarze, wellige Haar. Seine grünen Augen starrten mich an. Und zwischen den Zähnen und mit beiden Händen hielt er etwas Weiches, Braunes. Es war eine Ratte, eine große widerliche Ratte, das Maul aufgerissen, die Füße abgestreckt, den geschwungenen Schwanz starr in der Luft. Mit einem Aufschrei ließ der Mann die Ratte fallen und stierte entsetzt, und das Blut floß ihm aus dem offenen Mund.
    Gleißendes licht sengte mir die Augen. Ich versuchte sie zu öffnen, und das ganze Zimmer war in Glut. Claudia stand vor mir, kein winziges Kind, sondern viel größer, und sie zog mich mit beiden Händen an sich. Dann kniete sie nieder, und meine Arme umfingen sie, während sich Dunkelheit über uns senkte. Betäubung erfaßte meine Glieder, und dann die Lähmung der Vergessenheit.

 
     
    U nd so war es in ganz Transsylvanien, in Ungarn, Bulgarien und allen diesen Ländern, wo die Bauern

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