Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
Händen, dem schonungslosen Feuer seiner Augen zu reißen.
Ich drehte mich um und ging in den Salon. Meine Hände zitterten. Ich konnte den Gedanken an seine Anwesenheit kaum ertragen. Ich suchte überall, konnte aber diese verdammte Geige nirgends finden. Was hatte Nicki bloß mit ihr gemacht? Es war mir ein Rätsel.
Seiten wurden umgeblättert, Papier knisterte. Leises Geräusch niederfallender Zeitungen.
Geh sofort zum Turm zurück.
Ich ging rasch an der Bibliothek vorbei, als plötzlich seine stumme Stimme vorschoß und mich anhielt. Wie eine Hand, die sich um meinen Hals klammerte. Ich drehte mich um und sah, wie er mich anstarrte.
Liebst du sie, deine schweigsamen Kinder? Lieben sie dich?
Ich fühlte, wie mir das Blut zu Kopf stieg. Hitze durchströmte mein Gesicht, als ich ihn anblickte. Inzwischen waren alle Bücher auf dem Boden verstreut. Und er war eine Spukgestalt inmitten einer Trümmerlandschaft, ein Abgesandter des Teufels, an den er glaubte. Doch sein Gesicht war so zart, so jung.
Weißt du, die Zauber der Finsternis zeitigen niemals Liebe, sondern nur Schweigen. Seine Stimme schien weicher, klarer in ihrer Lautlosigkeit. Wir haben immer gesagt, es ist Satans Wille, daß der Meister und der Novize einander keinen Trost spenden können. Wir hatten allein Satan zu dienen.
Jedes Wort durchbohrte mich. Jedes Wort war verletzend, demütigend, und befriedigte doch eine geheime Neugierde. Ich ließ es ihn nicht anmerken.
»Was willst du von mir?« fragte ich wütend.
Ich hatte jetzt mehr Angst vor ihm als während aller früheren Kämpfe und Auseinandersetzungen, und ich hasse jeden, der mir Angst einflößt, der Dinge weiß, die ich wissen muß, der diese Macht über mich hat.
»Das ist, als könnte man nicht lesen, nicht wahr?« sagte er laut. »Und Magnus, deinen Schöpfer, den Ausgestoßenen, hat ihn deine Unwissenheit einen Deut geschert? Hat er dich auch nur in die einfachsten Dinge eingeweiht?« Sein Gesicht blieb regungslos, während er sprach. »War es so nicht schon immer gewesen? War irgendwem jemals daran gelegen, dir etwas beizubringen?«
»Du zitierst nur meine Gedanken…«, sagte ich. Ich war entsetzt. Ich sah das Kloster, in dem ich als Junge gewesen war, reihenweise Bücher, die ich nicht lesen konnte, ich sah Gabrielle, mit dem Rücken zu uns über ihre Bücher gebeugt. »Hör auf]« flüsterte ich.
Scheinbar war eine Ewigkeit verstrichen. Er sprach wieder, aber stumm.
Nie befriedigen dich die, die du erschaffst. Mit wachsendem Unmut entfremden sie sich nur.
Ich wollte mich zwingen zu gehen, aber ich rührte mich nicht, Statt dessen starrte ich ihn an, während er fortfuhr.
Du hast Sehnsucht nach mir, und ich habe Sehnsucht nach dir, und in diesem Reich sind nur wir einander wert. Weißt du das nicht ?
Die stummen Worte schienen sich zu dehnen wie ein nie endende Geigenton.
»Das ist Wahnsinn«, flüsterte ich. Ich mußte an all die Dinge denken, die er mir gesagt, die er mir vorgeworfen hatte, und an die Schrecknisse, die die anderen geschildert hatten - daß er seine Anhänger ins Feuer geworfen hatte.
»Ist das wirklich Wahnsinn?« fragte er. »Dann geh zu deinen Schweigsamen. Selbst jetzt sagen sie einander Dinge, die sie dir nicht sagen können.«
»Du lügst…«, sagte ich.
»Und mit der Zeit werden sie immer selbständiger werden. Aber mache deine eigenen Erfahrungen. Du wirst mich ohne Schwierigkeiten finden, wenn du mich aufsuchen willst. Wo kann ich schon hin? Was kann ich schon tun? Du hast mich wieder zu einem Waisenkind gemacht.«
»Habe ich nicht -«
»O doch«, sagte er. »Hast du. Du hast alles zugrunde gerichtet.« Keinerlei Groll. »Aber ich kann warten, bis du kommst, bis du all die Fragen stellst, die nur ich beantworten kann.«
Ich blickte ihn lange an. Wie lange, weiß ich nicht. Es war, als ob ich mich nicht von der Stelle rühren konnte, und ich konnte nichts sehen außer ihn, und der große Seelenfriede, seine Zauberkraft taten wieder ihre Wirkung, wie damals in Notre Dame. Das Licht im Zimmer war zu hell. Er war ganz von dem Licht umfangen, und es war, als würden wir aufeinander zugehen, aber wir rührten uns nicht. Er zog mich, zog mich zu sich.
Ich wandte mich ab, stolperte vorwärts, verlor mein Gleichgewicht. Aber ich war aus dem Zimmer heraus. Ich rannte den Korridor entlang, und dann kletterte ich aus dem hinteren Fenster und zum Dach hinauf.
Ich ritt zur Ile de la Cité, als würde er mir nachjagen. Und mein Herz hörte erst zu
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