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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Hals, als ich in den abgedunkelten Zuschauerraum blickte, als ich die alten Gerüche einatmete. Warum mußtest du uns hierherbringen, Nicki? Zu dieser verwunschenen Stätte? Aber andererseits, hatte ich ein Recht, darüber zu klagen? Ich war doch selbst zurückgekommen, oder?
    Ich zündete die erstbeste Kerze an, die ich im Schminkraum der alten Primadonna fand. Überall lagen offene Schminktöpfe herum, und an den Haken hingen dutzendweise ausrangierte Kostüme. Alle Zimmer, die ich inspizierte, waren voll von abgelegten Kleidern, vergessenen Kämmen und Bürsten, in den Vasen verwelkte Blumen, Puder auf dem Fußboden.
    Ich mußte wieder an Eleni und die anderen denken und bemerkte, daß sie einen kaum wahrnehmbaren Geruch nach Les Innocents hinterlassen hatten. Und in den Puderpfützen sah ich die deutlichen Abdrücke nackter Füße. Ja, sie waren hier gewesen. Und Kerzen hatten sie auch angezündet, man konnte es riechen.
    Wie auch immer, meinen ehemaligen Schminkraum hatten sie nicht betreten, den Raum, den sich Nicki und ich vor jeder Aufführung geteilt hatten. Er war noch immer abgesperrt. Und als ich die Tür aufbrach, rührte mich fast der Schlag. Der Raum war noch genauso, wie ich ihn verlassen hatte.
    Er war sauber und ordentlich, sogar der Spiegel war noch poliert, und meine Habseligkeiten lagen unangetastet seit dem letzten Abend, den ich hier verbracht hatte. Am Haken hing mein alter Mantel, darunter die verschrumpelten Stiefel, und auf dem Tisch hübsch aufgereiht meine Schminktöpfe, die Perücke, der Stapel mit Gabrielles Briefen, die alten englischen und französischen Zeitungen, in denen unser Stück erwähnt worden war, und eine halbvolle Weinflasche mit vertrocknetem Korken.
    Und da - im Dunkel neben dem Schminktisch, teilweise von einem zusammengefalteten, schwarzen Mantel überdeckt, lag ein blankgeputzter Geigenkasten. Nicht der, den wir den ganzen Weg von zu Hause mitgeschleppt hatten. Nein. Dieser hier mußte das kostbare Geschenk beherbergen, das ich ihm gekauft hatte, von den »Brosamen, die von des Reichen Tisch fielen«, die Stradivari.
    Ich bückte mich und öffnete den Deckel. Es war tatsächlich das herrliche Instrument, zerbrechlich und dunkel glänzend lag es hier zwischen all dem Krimskrams.
    Ich fragte mich, ob Eleni und die anderen es mitgenommen hätten, wären sie in diesem Zimmer gewesen. Hätten sie geahnt, was es zu bewirken vermochte?
    Ich setzte die Kerze kurz ab und nahm das Instrument vorsichtig heraus, dann spannte ich den Bogen, wie ich es Nicki tausendmal hatte tun sehen. Ich trug die Geige und die Kerze zur Bühne, und ich bückte mich, um die lange Reihe der Rampenlichter zu entzünden.
    Gabrielle sah mir teilnahmslos zu. Dann kam sie hoch, um mir zu helfen. Sie steckte eine Kerze nach der anderen an und schließlich noch den Wandleuchter neben den Kulissen.
    Nicki schien sich zu bewegen. Aber vielleicht war es auch nur das ständig heller werdende Licht, das sich von der Bühne auf ihn und in den Zuschauerraum ergoß. Die kleinen Zierspiegel an den Rängen und Logen wurden nun selbst zu Lichtem.
    Schön, hier bei uns. Das Tor zur Welt, solange wir sterbliche Wesen waren. Und schließlich das Tor zur Hölle.
    Als ich fertig war, ließ ich meinen Blick über die vergoldeten Geländer schweifen, die neuen Kronleuchter und die Decke mit ihren beiden Masken - Komödie und Tragödie -, die wie zwei Gesichter am selben Hals aussahen.
    Draußen auf dem Boulevard grollte der dumpfe Donner des Verkehrs, dann und wann von dünnen Menschenstimmen durchsetzt, wie Funken über einem allgemeinen Gesumm. Eine schwere Kutsche fuhr wohl vorbei, da alles im Theater leicht zu beben anfing: die Kerzenflammen, der riesige Vorhang, die mit einem hübschen Gärtchen nebst Wolken bemalte Leinwand.
    Ich stieg die kleine Treppe zu Nicki hinunter und näherte mich ihm mit der Geige.
    Gabrielle hatte sich wieder in die Kulissen zurückgezogen, sie blickte kühl, doch geduldig drein. Lässig hatte sie sich an einen Balken gelehnt, wie ein Mann.
    Ich senkte die Geige über Nickis Schulter in seinen Schoß. Er bewegte sich, als hätte er tief durchgeatmet. Seinen Hinterkopf an mich gepreßt, hob er langsam seine linke Hand, griff den Hals der Geige, nahm den Bogen in die rechte.
    Ich kniete nieder und legte meine Hände auf seine Schultern. Kein Menschengeruch. Keine Menschenwärme. Nur die Skulptur meines Nicolas.
    »Spiel«, flüsterte ich. »Spiel nur für uns.«
    Langsam wandte er mir sein

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