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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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vernichten.«
    »Wie soll ich das durchleiden?« Er sah zu mir hoch und zog die Augenbrauen gequält zusammen. »Wie soll ich anfangen? Du bewegst dich wie die rechte Hand Gottes! Aber für mich ist die Welt, die wirkliche Welt, in der Marius lebte, unerreichbar. Ich habe nie in ihr gelebt. Ich renne gegen die Glaswand, die mich von ihr trennt. Aber wie kann ich sie betreten?«
    »Das weiß ich auch nicht«, sagte ich.
    »Du mußt dich mit diesem Zeitalter auseinandersetzen«, unterbrach Gabrielle. Ihre Stimme war ruhig, aber streng. Er sah sie an, während sie sprach. »Du mußt das Zeitalter durch seine Literatur und Kunst und Musik begreifen lernen. Du bist aus der Erde gekrochen, nun lebe auch in der Welt.«
    Keine Antwort. Kurzes Aufblitzen von Nickis verwüsteter Wohnung mit all den Büchern auf dem Boden. Westliche Zivilisation, häppchenweise.
    »Und was bietet sich da eher an als der Mittelpunkt des Geschehens, der Boulevard und das Theater?« fragte Gabrielle.
    Er zog die Stirn in Falten und wandte seinen Kopf mißbilligend zur Seite, aber sie ließ nicht locker.
    »Deine Begabung besteht darin, den Orden anzuführen, und deinen Orden gibt es noch.«
    Er stieß einen leisen Laut der Verzweiflung aus.
    »Nicolas ist ein Neuling«, sagte sie. »Er kann ihnen eine Menge über die Welt draußen beibringen, aber er kann sie nicht wirklich anfahren. Die Frau, Eleni, ist erstaunlich klug, aber sie wird ihren Platz für dich räumen.«
    »Was können mir ihre Spielchen schon bedeuten?« flüsterte er.
    »Es ist eine Möglichkeit zu existieren«, sagte sie. »Und nur darauf kommt es jetzt für dich an.«
    »Das Theater der Vampire! Da ist mir das Feuer noch lieber.«
    »Denke darüber nach«, sagte sie. »Du kannst nicht leugnen, daß das Ding auf seine Weise vollkommen ist. Wir sind Trugbilder der Sterblichkeit, und die Bühne ist ein Trugbild der Wirklichkeit.«
    »Es ist ein Greuel«, sagte er. »Wie hat es Lestat genannt? Läppisch?«
    »Das war gegen Nicolas gemünzt, weil Nicolas phantastische Gedankengebäude darauf errichtete«, sagte sie. »Du mußt jetzt ohne phantastische Gedankengebäude auskommen, wie damals, als du Marius’ Lehrling warst. Lebe, um das Zeitalter zu begreifen. Und Lestat glaubt nicht an den Wert des Bösen. Aber du glaubst daran. Ich weiß das.«
    »Ich bin böse«, sagte er halb lächelnd. Er lachte beinahe. »Das ist doch keine Glaubensfrage. Glaubst du allen Ernstes, ich könnte so ohne weiteres nach drei Jahrhunderten vom geistigen Pfad abweichen und mich der Wollust und Ausschweifungen hingeben? Wir waren die Heiligen des Bösen. Ich werde kein gewöhnlicher Bösewicht werden. Niemals.«
    »Dann halt ein ungewöhnlicher«, sagte sie. Allmählich verlor sie die Geduld. »Wenn du böse bist, wie können dann Wollust und Ausschweifungen deine Feinde sein? Haben sich die Welt, das Fleisch und der Teufel nicht gleichermaßen gegen die Menschen verschworen?«
    Er schüttelte den Kopf, als wollte er sagen, daß ihn das alles nichts anginge.
    »Dich beschäftigt das Geistige mehr als das Böse«, warf ich ein und beobachtete ihn genau. »Stimmt’s?«
    »Ja«, sagte er sofort.
    »Aber begreifst du nicht, daß die Farbe des Weins in einem Kristallglas geistig sein kann?« fuhr ich fort. »Das Mienenspiel in einem Gesicht, die Musik einer Geige. Ein Pariser Theater kann von Geistigkeit geradezu durchdrungen sein, trotz seiner massiven Bauweise. Geformt wird es letztlich von jenen, die über die geistigen Visionen seiner Möglichkeiten verrügen.«
    Etwas regte sich in ihm, aber er wischte es fort.
    »Verführe die Öffentlichkeit mit Wollust«, sagte Gabrielle. »Um Gottes und des Teufels willen, nutze die Macht des Theaters, wie du willst.«
    »Waren die Gemälde deines Meisters nicht geistiger Natur?« fragte ich. »Kann irgend jemand die großen Werke dieser Zeit betrachten, ohne sie geistig zu nennen?«
    »Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt«, antwortete Armand. »War das geistig oder wollüstig? War der Engel auf dem Triptychon in Stofflichkeit gefangen, oder war das Stoffliche vergeistigt?«
    »Was immer sie dir später angetan haben, du hast die Schönheit und den Wert seines Werks nie bezweifelt«, sagte ich. »Das weiß ich genau. Und es war vergeistigte Stofflichkeit. Es hörte auf, Farbe zu sein, und wurde Magie, gerade wie beim Töten das Blut aufhört, Blut zu sein und zu Leben wird.«
    Sein Blick umwölkte sich, aber er strahlte keine Bilder aus. Welche Straße in der

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