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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ich.
    »Vielleicht«, sagte er nachdenklich. »Aber andererseits könnten sie hier mit Leichtigkeit heraus, wenn sie wollten. Wenn du erst einmal die ganze Geschichte hörst, kannst du dir selbst ein Bild machen. Ich habe sie jedenfalls immer zurückgetragen und ihre Gliedmaßen so angeordnet, wie sie vorher waren. Das erfordert übrigens unglaubliche Kräfte. Sie sind wie biegsamer Stein, falls du dir das vorstellen kannst. Und wenn schon ich über solche Kräfte verfüge, dann kannst du dir ja denken, wie stark sie sind.«
    »Du meinst, sie wollen … wollten. Was, wenn sie das alles wollen, aber nicht mehr können? Was, wenn sie trotz größter Anstrengung nicht mehr zuwege bringen, als bis zur Tür zu gelangen?«
    »Ich glaube, sie hätte die Türen aufbrechen können, wenn sie gewollt hätte. Wenn ich mit bloßer Willenskraft die Riegel öffnen kann, was vermag dann erst sie?!«
    Ich betrachtete ihre kalten, unnahbaren Gesichter, ihre schmalen, hohlen Wangen, ihre heiter-gelassenen Münder.
    »Aber was, wenn du dich täuschst? Und was, wenn sie jedes Wort verstehen, das wir hier sprechen, und sie das verärgert, zutiefst beleidigt…«
    »Ich glaube, sie können hören«, sagte er mit gedämpfter Stimme und versuchte, mich wieder zu beruhigen, »aber ich glaube nicht, daß es sie kümmert. Sonst würden sie sich bewegen.«
    »Aber woher willst du das wissen?«
    »Sie machen Sachen, die große Kraft erfordern. Ich verschließe beispielsweise das Tabernakel, und sie sperren es sofort wieder auf und öffnen die Türen. Ich weiß, daß sie das machen, weil es niemand sonst könnte. Die Türen fliegen auf, und da sitzen sie. Ich trage sie hinaus, damit sie das Meer sehen können. Und vor der Morgendämmerung, wenn ich sie zurückhole, sind sie schwerer, weniger geschmeidig, fast nicht von der Stelle zu bringen. Manchmal glaube ich, sie machen das nur, um mich zu quälen, einfach so aus Spaß.«
    »Nein. Sie versuchen etwas und können es nicht tun.«
    »Nicht so voreilig«, sagte er. »Ich habe in dieser Kammer schon die seltsamsten Sachen erlebt. Natürlich passierten gerade am Anfang…«
    Aber er unterbrach sich. Irgend etwas hatte ihn abgelenkt.
    »Hörst du ihre Gedanken?« fragte ich. Er schien zu lauschen.
    Er antwortete nicht. Er musterte sie. Irgend etwas hatte sich verändert! Ich mußte meinen ganzen Willen aufbieten, um nicht kehrtzumachen und wegzurennen. Ich sah sie genau an. Ich konnte nichts Ungewöhnliches ausmachen. Ich würde gleich zu schreien und brüllen anfangen, wenn mir Marius nicht erklärte, warum er sie so anstarrte.
    »Nicht so hitzig, Lestat«, sagte er schließlich lächelnd, wobei er seine Augen noch immer auf den Mann gerichtet hielt. »Ab und zu höre ich sie, aber es bleibt unverständlich, es ist nur ihre Gegenwart - das Geräusch, du weißt schon.«
    »Und du hast ihn gerade jetzt gehört?«
    »Jaaaa… Vielleicht.«
    »Marius, laß uns bitte gehen, ich flehe dich an. Verzeih mir, ich kann es nicht ertragen! Bitte, Marius, laß uns gehen.«
    »Na gut«, sagte er. Er drückte meine Schulter. »Aber tu mir erst noch einen Gefallen.«
    »Was immer du willst.«
    »Sprich zu ihnen. Es muß nicht laut sein. Aber sprich. Sag ihnen, daß du sie schön findest.«
    »Das wissen sie«, sagte ich. »Sie wissen, daß ich sie unbeschreiblich schön finde. «Da war ich mir ganz sicher. Aber er wollte, daß ich es ihnen auf feierliche Weise kundtat, und ich fegte alle Ängste aus meinem Kopf und ließ es sie wissen.
    »Rede einfach zu ihnen«, sagte Marius drängend.
    Ich blickte in die Augen des Mannes und in die Augen der Frau. Und ein höchst seltsames Gefühl bemächtigte sich meiner. Ich wiederholte die Worte: Ich finde euch schön, ich finde euch unvergleichlich schön. Ich betete, wie damals, als ich noch ganz klein war und neben dem Berg in einer Wiese lag und Gott anflehte, mir bitte bitte zu helfen, von meines Vaters Schloß fortzukommen.
    So sprach ich jetzt zu ihr, und ich sagte, ich sei dankbar, daß ich ihr und ihren uralten Geheimnissen hätte nahe sein dürfen. Und dieses Gefühl wurde körperlich. Es breitete sich über meine Haut und drang bis in die Haarwurzeln hinein. Ich fühlte, wie alle Spannkraft aus meinem Gesicht, aus meinem Körper wich. Der Weihrauch und die Blumen umhüllten meinen Geist, als ich ihr tief in ihre braunen Augen sah.
    »Akascha«, sagte ich laut. Ich hörte den Namen im selben Moment, da ich ihn aussprach. Mir lief es kalt über den Rücken. Das

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