Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
Ausdruckslosigkeit erstarten. »Ich habe dich enttäuscht, nicht wahr?« flüsterte ich. »Nein, durchaus nicht«, sagte er nachsichtig. »Das hast du nicht.«
    »Tut mir leid, daß ich…«
    »Nein, wirklich nicht.«
    Ich trat ein wenig näher. Ich hatte den Eindruck, daß ich mich schlecht benommen hatte. Er hatte mir dieses Geheimnis offenbart, und ich war schaudernd zurückgeschreckt. Ich war über mich selbst enttäuscht.
    Ich ging wieder näher heran; ich wollte mein schlechtes Betragen wiedergutmachen. Auch Marius wandte sich ihnen wieder zu und legte seinen Arm um mich. Der Weihrauch hatte eine betäubende Wirkung, und in ihren Augen spiegelte sich das unheimliche Flammengeflacker der Lampen.
    Ihre weiße Haut wies keinerlei Adern oder Falten oder Runzeln auf. Nicht einmal, wie selbst bei Marius noch, die feinen Linien auf den Lippen. Selbst das Ein- und Ausatmen vollzog sich ohne die geringste Bewegung.
    Ich lauschte in die Stille, konnte aber keine Gedanken von ihnen hören, keinen Herzschlag, kein Pulsieren des Blutes.
    »Aber sie haben doch Blut?« flüsterte ich.
    »Ja.«
    »Und…?« … bringst du ihnen Jagdbeute, wollte ich fragen.
    »Sie trinken nicht mehr.«
    Selbst das war gespenstisch! Nicht einmal dieses Vergnügen hatten sie. Aber sich bloß vorzustellen - wie es gewesen wäre, wenn sie Lebenswärme genug gehabt hätten, um sich ein Opfer zu fangen und dann wieder in Ruhe zu versinken, ach! Nein, ich hätte erleichtert sein sollen. Aber ich war es nicht.
    »Vor langer, langer Zeit haben sie noch getrunken, aber nur einmal im Jahr. Ich legte ihnen die Opfer einfach hier herein -Übeltäter, die schwach und schon so gut wie tot waren. Wenn ich zurückkam, waren sie ausgesaugt und JENE, DIE BEWAHRT WERDEN MÜSSEN saßen wieder wie zuvor da. Nur ihre Hautfarbe war ein klein wenig anders. Nicht ein Tropfen Blut war verkleckert worden.
    Das ereignete sich nur bei Vollmond und gewöhnlich im Frühling. Und dann hörten sogar diese jährlichen Mahlzeiten auf. Ich brachte ihnen noch ab und zu ein Opfer. Und erst nach einem Jahrzehnt taten sie sich wieder an einem gütlich. Wieder war Vollmond. Es war Frühling. Und dann rührten sie mindestens ein halbes Jahrhundert nichts an. Ich verlor die Übersicht. Ich dachte, sie müßten vielleicht den Mond sehen und den Wechsel der Jahreszeiten mitbekommen. Aber es stellte sich heraus, daß das keine Rolle spielte.
    Sie haben seit der Zeit, da ich sie nach Italien brachte, nichts mehr getrunken. Das war vor dreihundert Jahren. Selbst im heißen Ägypten trinken sie nichts.«
    »Aber selbst wenn sie tranken, hast du es nie mit eigenen Augen gesehen?«
    »Nein«, sagte er.
    »Hast du sie nie sich bewegen sehen?«
    »Nicht seit… dem Anfang.«
    Ich zitterte wieder. Als ich sie ansah, kam es mir vor, als atmeten sie, als beseelten sich ihre Lippen. Ich wußte, daß es Einbildung war. Aber es trieb mich zum Wahnsinn. Ich mußte hier raus. Sonst bräche ich wieder in Tränen aus.
    »Manchmal, wenn ich zu ihnen komme«, sagte er, »haben sich ein paar Dinge verändert.«
    »Wie? Was?«
    »Kleinigkeiten«, sagte er. Er sah sie nachdenklich an. Er berührte die Halskette der Frau. »Die hier gefällt ihr. Trifft offenbar ihren Geschmack. Früher hatte sie eine, die ich immer wieder zerbrochen auf dem Boden vorfand.«
    »Dann können sie sich also bewegen?«
    »Zuerst dachte ich, die Halskette sei einfach heruntergefallen. Aber nachdem ich sie dreimal repariert hatte, kamen mir Zweifel. Sie riß sie sich vom Hals oder ließ sie mit ihrer Willenskraft zu Boden fallen.«
    Mir entfuhr ein leiser Entsetzensschrei, und ich schämte mich unaussprechlich, daß mir das in ihrer Gegenwart passiert war. Ich wollte sofort fort von hier. Ihr Gesicht war wie ein Spiegel all meiner Einbildungen. Ihre Lippen krümmten sich zu einem Lächeln, ohne sich zu krummen.
    »Dasselbe geschah mit anderen Schmuckstücken, Schmuckstücke mit eingravierten Götternamen, die sie wohl nicht mochte. Einmal wurde eine Vase zerbrochen, die ich aus einer Kirche mitgebracht hatte, wie durch ihren Blick in tausend Scherben zerborsten. Aber es gab noch mehr eigentümliche Vorfälle.«
    »Erzähl.«
    »Es kam schon vor, daß ich hereinkam und den einen oder anderen aufrecht stehend vorfand.«
    Das war zuviel. Ich wollte ihn bei der Hand nehmen und fortzerren.
    »Ihn traf ich einmal ein paar Schritte vor seinem Stuhl, und ein andermal fand ich die Frau neben der Tür.«
    »Um auszubrechen?« flüsterte

Weitere Kostenlose Bücher