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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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erzählt. Ich erzählte ihm alles über diese wenigen Tage und das Glück, das ich damals gekostet hatte.
    »Wie hätte das nicht gut und bereichernd sein sollen«, fragte ich, »solches Glück zu empfangen und zu schenken? Wir haben dieses Städtchen mit unserem Stück aufgeweckt. Reine Magie, glaube mir. Es hat die Kranken wieder gesund gemacht, wirklich.«
    Nicolas schüttelte den Kopf. Und ich wußte, daß ihm einiges auf der Zunge brannte, das er aus Hochachtung vor mir nicht auszusprechen wagte.
    »Das verstehst du nicht, oder?« fragte ich.
    »Lestat, die Sünde ist immer wohltuend«, sagte er ernst. »Begreifst du das denn nicht? Warum hat die Kirche die Gaukler wohl immer verdammt? Das Theater geht auf Dionysos, den Gott des Weines, zurück. Das kannst du bei Aristoteles nachlesen. Und Dionysos war ein Gott, der die Menschen zu Ausschweifungen verführte. Du hast dich auf dieser Bühne wohl gefühlt, weil sie unzüchtig und lasterhaft war - der uralte Götzendienst am Gott der Rebe -, und du schwebtest im siebten Himmel, weil du dich deinem Vater widersetzt hast -«
    »Nein, Nicki. Tausendmal nein.«
    »Lestat, wir sind Brüder in der Sünde«, sagte er und lächelte endlich wieder. »Das waren wir schon immer. Wir haben uns beide schlecht und schändlich benommen. Das bindet uns aneinander.«
    Jetzt war es an mir, traurig und verletzt auszusehen. Und der Goldene Augenblick war entschwunden - es sei denn, etwas Neues würde geschehen.
    »Mach schon«, sagte ich plötzlich. »Hol deine Geige, und wir verkrümeln uns in den Wald, wo die Musik niemanden stört. Wollen mal sehen, ob das nicht doch was Gutes ist.«
    »Du spinnst«, sagte er und ergriff schon die noch verkorkte Flasche und stob zur Tür. Ich folgte ihm auf den Fersen.
    Als er mit der Geige aus seinem Haus trat, sagte er: »Laß uns zum Hexenplatz gehen. Schau, wir haben Halbmond. Genug Licht. Wir tanzen den Teufelstanz und spielen den Geistern der Hexen auf.«
    Ich lachte. Wenn ich nicht betrunken gewesen wäre, hätte ich da wohl kaum mitgemacht. »Wir werden diesen Fleck Erde neu weihen«, beharrte ich, »mit guter und reiner Musik.«
    Ich war schon jahrelang nicht mehr auf dem Hexenplatz gewesen. Der Mond spendete tatsächlich genug Licht, daß man die verkohlten Scheiterhaufen und die düstere Erde sehen konnte, auf der selbst hundert Jahre nach den großen Verbrennungen nichts mehr gewachsen war. Und der Wind konnte ungehindert in die Lichtung peitschen, und darüber am Felshang waberte das Dorf in der Finsternis.
    Ein schwaches Frösteln lief mir über den Rücken, wie ein fernes Echo der Qualen, die ich als Kind durchlitten hatte, als ich jene schrecklichen Worte »lebendig verbrannt« vernommen, als ich mir die Höllenqualen vor Augen geführt hatte.
    Nickis weiße Spitzenschuhe schimmerten in dem fahlen Licht, und er spielte unverzüglich ein Zigeunerlied und tanzte dabei im Kreis. Ich saß unterdessen auf einem verkohlten Baumstumpf und setzte die Flasche an den Hals. Und das Herz wurde mir weich, wie immer, wenn ich Musik hörte. Welcher Sünde machte ich mich schuldig, dachte ich, außer der, mein Leben in dieser entsetzlichen Umgebung auszukosten? Und bald weinte ich still vor mich hin.
    Obgleich es den Anschein hatte, daß die Musik keinen Moment aufhörte, saß Nicki plötzlich neben mir und tröstete mich. Er sagte, die Welt sei voller Ungerechtigkeiten, und wir, er und ich, seien Gefangene dieser schrecklichen Gegend in Frankreich, und eines Tages würden wir ausbrechen. Und ich dachte an meine Mutter in dem Schloß hoch oben in den Bergen, und die Traurigkeit übermannte mich, daß ich zu zerspringen drohte, und Nicki fing wieder zu spielen an und forderte mich auf, zu tanzen und alles andere zu vergessen.
    Er tanzte im Kreis herum, und ich tat es ihm nach. Die Töne schienen wie Goldflocken aus seiner Geige zu fliegen; ich konnte sie fast glitzern sehen, ich breitete meinen Mantel zu Flügeln aus und warf den Kopf zurück, um den Mond zu betrachten, und die Musik umfing mich wie Rauch, und der Hexenplatz war verschwunden. Es gab nur noch den Himmel da oben, der sich über die Berge wölbte.
    Ein paar Nächte später geschah etwas völlig Außergewöhnliches. Es war schon spät. Wir waren mal wieder im Wirtshaus, und Nicolas, der wild gestikulierend in unserem Zimmer auf und ab ging, sprach aus, was uns schon längst auf der Seele brannte. Daß wir nach Paris abhauen sollten, auch wenn wir keinen roten Sou hätten, denn das sei

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