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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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alten Straßen im Garden District ging. Und ich wollte ihn rufen und ihm sagen, daß es eine Lüge gewesen war, daß es nicht stimmte und daß ich ihn liebte. Ich liebte ihn.
    Aber es wurde Zeit für mich, mit allen Frieden zu schließen. Es wurde Zeit für mich, zu hungern und endlich unter die Erde zu gehen und am Ende vielleicht die Träume des Gottes zu träumen. Und wie hätte ich Armand von den Träumen des Gottes erzählen können?
    Es waren keine Kerzen mehr da, und für die Lampen fehlte das Öl. Irgendwo war eine Stahlkassette voller Geld und Juwelen und Briefen an meine Anwälte und Bankiers, die auch weiterhin diese Besitztümer, die ich für alle Zeiten besaß, für die Summen, die ich ihnen überlassen hatte, verwalten würden.
    Warum also nicht unter die Erde gehen, mit der Gewißheit, dort nie wieder gestört zu werden, nicht in dieser alten Stadt mit ihren zerbröckelnden Nachbildungen anderer Jahrhunderte? Alles würde einfach nur immer weiter und weiter gehen.
    Im Licht des Himmels las ich noch ein Stück von der Geschichte über Sam Spade und den Malteser Falken. Ich sah auf das Datum auf dem Magazin und wußte, daß es 1929 war, und ich dachte, das kann doch nicht wahr sein, oder? Und ich trank genügend Rattenblut, um kräftiger zu werden und richtig schön tief graben zu können.
    Die Erde hielt mich fest. Lebewesen schlängelten sich durch die feuchten Erdklumpen an meinem verdorrten Fleisch entlang. Und ich dachte, wenn ich je wieder aufstünde, wenn ich je wieder einen kleinen Fleck des Nachthimmels voller Sterne sähe, würde ich nie wieder etwas Schreckliches tun. Ich würde nie wieder Unschuldige abschlachten. Und wenn ich auf Schwache Jagd machte, dann nur auf die Hoffnungslosen und Sterbenden, die ich mir holen würde, das schwor ich. Ich würde nie wieder die Zauber der Finsternis anwenden. Ich werde höchstens… na ja, das »überdauernde Bewußtsein« für keinen bestimmten Zweck sein, für überhaupt keinen Zweck.
    Durst. Schmerzen so hell wie das Licht.
    Ich habe Marius gesehen. Ich habe ihn so deutlich gesehen, daß ich dachte, das kann kein Traum sein! Und es gab mir einen Stich ins Herz. Wie prächtig Marius aussah. Er hatte einen engsitzenden modernen Anzug an, aber aus rotem Samt, und sein weißes Haar war kurz geschnitten und nach hinten gekämmt. Er sah bezaubernd aus, dieser moderne Marius, und so munter und frisch, wie es unter seinen alten Kleidern von früher nie zu erkennen gewesen war.
    Und er stellte höchst merkwürdige Dinge an. Er hatte eine schwarze Kamera auf drei spinnedünnen Beinen vor sich und drehte mit der rechten Hand eine Kurbel, die daran befestigt war, um bewegliche Bilder von Sterblichen zu machen. Die Art und Weise, wie er mit diesen sterblichen Wesen sprach, ihnen sagte, wie sie einander festhalten sollten, wie sie tanzen, sich bewegen sollten, ließ mein Herz höher schlagen. Hinter ihnen buntbemalte Bühnenbilder, ja. Und draußen, hinter den Fenstern seines Studios, hohe Backsteingebäude und das Geräusch von Autobussen in den Straßen.
    Nein, das ist kein Traum, sagte ich zu mir. Das ist die Wirklichkeit. Er ist wirklich dort. Und wenn ich mich nur ein bißchen anstrenge, kann ich die Stadt hinter den Fenstern erkennen, und dann weiß ich, wo er ist. Wenn ich mir nur ein bißchen mehr Mühe gebe, dann kann ich hören, in welcher Sprache er mit den jungen Schauspielern spricht. »Marius!« sagte ich, aber die Erde um mich herum verschluckte es.
    Der Schauplatz änderte sich.
    Marius fuhr in dem großen Käfig eines Fahrstuhls hinunter in einen Keller. Metalltüren quietschten und knarrten. Und er betrat die heilige Stätte JENER, DIE BEWAHRT WERDEN MÜSSEN, aber wie anders jetzt alles war. Ägyptische Bilder, Blumendüfte, glitzerndes Gold gab es hier nicht.
    Die hohen Wände waren mit bunten Farben impressionistischer Maler bedeckt, die aus zahllosen Details ein lebendiges Abbild der Welt des zwanzigsten Jahrhunderts geschaffen hatten. Über Städte im hellen Sonnenschein flogen Flugzeuge hinweg, hinter den Bögen großer Stahlbrücken ragten Türme auf, durch silbrig schimmernde Seen glitten Schiffe aus Eisen. Ein ganzes Universum, das mit den Wänden verschmolz, das die reglosen und unveränderten Figuren von Akascha und Enkil umgab.
    Marius ging durch die Kapelle, an dunklen verflochtenen Skulpturen, Telefonapparaten und Schreibmaschinen auf Holztischen vorbei. Vor JENEN, DIE BEWAHRT WERDEN MÜSSEN stellte er ein großes, prächtiges

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