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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ins Unermeßliche. Und während ich so allein durch die Nacht fuhr und das Radio unsere Musik plärrte, spürte ich ein rein menschliches Gefühl von Begeisterung in mir.
    Ich wollte genauso spielen, wie meine sterbliche Band, Tough Cookie und Alex und Larry, spielen wollte. Nach den Anstrengungen, die es gekostet hatte, die Platten und Videos zu machen, wollte ich, daß wir gemeinsam unsere Stimmen vor der kreischenden Menschenmenge erhoben. Und manchmal mußte ich an jene Nächte vor langer, langer Zeit denken, die ich in Renauds kleinem Theater verbracht hatte und an die ich mich nur allzu deutlich erinnerte, bis in die merkwürdigsten Einzelheiten - das Gefühl der weißen Farbe, wenn ich sie auf meinem Gesicht verteilt hatte, den Geruch des Puders, den Augenblick des Auftritts im Rampenlicht.
    Ja, es kam alles zusammen, und wenn Marius’ Zorn mit dabei war, nun, ich hatte ihn verdient, nicht wahr?
    Ich war von San Francisco bezaubert, geradezu überwältigt. Nicht schwer, sich meinen Louis an diesem Ort vorzustellen. Fast venezianisch wirkte die Stadt mit den düsteren mehrfarbigen Villen und Mietshäusern, die Wand an Wand neben den schmalen schwarzen Straßen aufragten. Unwiderstehlich die Lichter, die über Hügel und Tal verstreut waren; und die strahlende Wildnis der Wolkenkratzer, die wie ein Märchenwald aus dem dunstigen Meer der Stadt in den Himmel schossen.
    Jede Nacht, wenn ich nach Carmel Valley zurückgekehrt war, holte ich die Säcke mit der Fan-Post hervor, die uns von New Orleans nach Monterey nachgeschickt worden war, und sah sie nach Vampirbriefen durch: die Buchstaben ein bißchen zu fest aufgedrückt auf das Papier, der Stil ein bißchen altmodisch - vielleicht eine etwas frevelhafte Zurschaustellung ihrer übernatürlichen Talente, in einem handgeschriebenen Brief, der so aussehen sollte, als wäre er in Fraktur gedruckt. Aber da waren nur die glühenden Verehrerbriefe von Sterblichen.
    Lieber Lestat,
    meine Freundin Sheryl und ich lieben dich, aber leider haben wir für das Konzert in San Francisco keine Karten gekriegt, obgleich wir sechs Stunden lang angestanden sind. Bitte, schick uns zwei Karten. Wir werden deine Opfer sein. Du kannst unser Blut trinken.
    Drei Uhr morgens in der Nacht vor dem Konzert in San Francisco. Das kühle grüne Paradies von Carmel Valley lag tief im Schlaf. Ich döste in der großen »Höhle« vor der Glaswand, die gegen die Berge zu lag. Ich träumte immer wieder von Marius. In meinem Traum sagte Marius:
    »Warum hast du meine Rache riskiert?«
    Und ich sagte: »Du hast dich von mir abgewandt.«
    »Das ist nicht der Grund«, sagte er. »Du bist impulsiv, du hast alles aufs Spiel gesetzt.«
    »Ich will die Dinge beeinflussen, ich will, daß etwas passiert!« sagte ich. In dem Traum habe ich geschrien, und dann fühlte ich plötzlich wieder das Haus von Carmel Valley um mich herum. Nur ein Traum, ein kleiner sterblicher Traum.
    Und doch drang da etwas anderes, irgend etwas anderes drang ein … eine plötzliche »Übertragung«, wie von einer herumirrenden Radiowelle, die auf eine falsche Frequenz geraten war, eine Stimme, die Gefahr, Gefahr für um alle, sagte.
    Für den Bruchteil einer Sekunde das Bild von Schnee, Eis. Heulendem Wind. Etwas, das auf einem Steinboden zerbricht, splitterndes Glas. Lestat! Gefahr!
    Ich wachte auf.
    Ich lag nicht mehr auf dem Sofa. Ich stand aufrecht da und sah hinüber zu den Glastüren. Ich konnte nichts hören und nichts sehen, außer die schwachen Konturen der Hügel, die schwarzen Umrisse des Hubschraubers, der wie eine riesige Fliege über seinem rechteckigen Landeplatz aus Beton schwebte.
    Ich lauschte mit meiner Seele. Ich lauschte so angestrengt, daß ich zu schwitzen begann. Aber es gab keine »Übertragung« mehr. Keine Bilder.
    Und dann das allmähliche Bewußtsein von etwas, das da draußen war, daß in der Dunkelheit jemand war und leise physische Geräusche von sich gab.
    Da draußen ging jemand durch die Stille. Kein menschlicher Geruch. Da draußen war einer von ihnen. Einer von ihnen hatte das Geheimnis entdeckt und kam hinter der skelettähnlichen Silhouette des Hubschraubers näher, kam durch das hohe Gras auf dem Feld.
    Wieder lauschte ich. Nein, nichts, nicht das geringste Zeichen, daß die Gefahr größer geworden war. Aber der Geist dieses Wesens war mit mir verbunden. Ich empfing nur die unvermeidlichen Signale von etwas, das durch den Raum kam.
    Das weiträumige Haus mit dem niedrigen Dach schlummerte -

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