Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
wie ein riesiges Aquarium wirkte es mit seinen nackten weißen Wänden und dem flackernden blauen Licht des stummen Fernsehgeräts. Tough Cookie und Alex lagen eng umschlungen auf dem Teppich vor dem leeren Kamin. Larry schlief in dem zellenartigen Schlafzimmer mit dem sinnlichen unermüdlichen Groupie namens Salamander, das sie in New Orleans »aufgelesen« hatten, bevor wir in den Westen gekommen waren. In den modernen Zimmern mit den niedrigen Decken und der Baracke hinter dem großen blauen Swimming-pool, der die Form einer Austernschale hatte, schliefen Leibwächter.
Und da draußen, unter dem klaren schwarzen Himmel, kam dieses Wesen näher, bewegte sich zu Fuß vom Highway auf uns zu. Dieses Ding, das ich gefühlt hatte, war ganz allein. Das Schlagen eines übernatürlichen Herzens in der dünnen Dunkelheit. Ja, ich konnte es sehr deutlich hören. Die Hügel waren wie Gespenster in der Ferne, die gelben Blüten der Akazien schimmerten weiß unter den Sternen.
Fürchtete sich vor nichts, wie es schien. Kam einfach, und die Gedanken absolut unerreichbar. Das konnte bedeuten, daß es einer von den Alten war, von den sehr geübten, außer, daß die nicht das Gras unter ihren Füßen zertreten würden. Dieses Ding bewegte sich fast wie ein Mensch. Dieser Vampir war von mir »gemacht«.
Ich bekam Herzklopfen. Ich warf einen Blick auf die kleinen Lämpchen der Alarmanlage, die hinter dem zurückgezogenen Vorhang versteckt war. Das Versprechen von Sirenen, falls irgend etwas, sterblich oder unsterblich, in dieses Haus einzudringen versuchte.
Er tauchte am Rand der weißen Betonfläche auf. Große schlanke Gestalt. Kurzes dunkles Haar. Und dann blieb er stehen, als könnte er mich in dem trüben blauen Licht hinter der Glasscheibe sehen.
Ja, er sah mich. Und er kam auf mich zu, auf das Licht zu. Geschmeidig, vielleicht ein wenig zu geschmeidig für einen Sterblichen. Schwarzes Haar, grüne Augen und die Gliedmaßen seidig weich unter der nachlässigen Kleidung: ein ausgebeulter schwarzer Pulli, der unförmig über seinen Schultern hing, Beine wie lange schwarze Stelzen.
Ich fühlte einen Kloß in meiner Kehle. Ich zitterte. Ich versuchte mich daran zu erinnern, was wichtig war, selbst in diesem Augenblick, daß ich für andere wachen mußte in der Nacht, vorsichtig sein mußte. Gefahr. Aber das alles zählte nicht. Ich wußte es. Für einen Augenblick schloß ich die Augen. Es half nichts, machte nichts leichter.
Dann streckte ich die Hand nach den Alarmknöpfen aus und schaltete sie ab. Ich öffnete die großen Glastüren, und die kalte frische Luft strömte an mir vorbei ins Zimmer.
Er war jetzt schon am Hubschrauber vorbei, drehte sich um und trat zurück, wie ein Tänzer, um ihn sich mit nach hinten gebogenem Kopf anzusehen, und seine Daumen steckten dabei lässig in den Taschen seiner schwarzen Jeans. Als er mich wieder ansah, konnte ich sein Gesicht ganz deutlich erkennen. Er lächelte.
Ich stellte die Alarmanlage wieder ein, trat hinaus und schloß hinter mir die Türen vor meinen Sterblichen und drehte den Schlüssel im Schloß herum. Einen Augenblick lang dachte ich, das halte ich nicht aus. Und das ist erst der Anfang. Und wenn er hier bei mir ist, nur ein paar Schritte von mir entfernt, dann kommen die anderen ganz bestimmt auch bald. Sie werden alle kommen.
Ich drehte mich um und ging auf ihn zu und betrachtete ihn schweigend in dem blauen Licht, das durch die Glasscheiben nach draußen fiel. Meine Stimme war rauh, als ich zu ihm sprach: »Wo ist denn die schwarze Pelerine und der ›maßgeschneiderte‹ Rock und die Seidenkrawatte und der ganze Quatsch?« fragte ich.
Wir fixierten uns gegenseitig.
Dann brach er das Schweigen und lachte, ohne einen Laut von sich zu geben. Aber er sah mich weiter an, hingerissen, wie es schien, worüber ich mich heimlich freute. Und mit der Kühnheit eines Kindes streckte er die Hand aus und strich mit den Fingern über meine graue Samtjacke.
»Man kann doch nicht immer als lebende Legende rumlaufen«, sagte er. Seine Stimme war wie ein Flüstern, das kein Flüstern war. Und ich hörte seinen französischen Akzent so deutlich heraus, wie ich ihn bei mir nie hatte hören können.
Es war fast unerträglich für mich, diesen Lauten zu lauschen, und wie vertraut sie mir waren!
Vergessen waren all die steifen bitteren Worte, die ich hatte sagen wollen, und ich schloß ihn in meine Arme.
Wir umarmten uns so fest wie noch nie zuvor. So, wie Gabrielle und ich uns
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