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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gekühltem Weißwein und frischem, grünem Gras neben den Apfelbäumen im Garten meines Vaters.
    Im Dunkel meines engen Steinsargs fuhr ich mit den Fingern über meine Fangzähne und stellte fest, daß sie gefährlich lang und scharf wie kleine Messerklingen waren.
    Und da war ein Sterblicher, der sich im Turm herumtrieb, und obwohl er noch nicht einmal die Tür des vorderen Zimmers erreicht hatte, konnte ich seine Gedanken hören.
    Ich hörte, wie verwirrt er war, als er entdeckte, daß die Tür zur Treppe nicht abgesperrt war. Das war noch nie vorgekommen. Ich hörte seine Angst, als er die verkohlten Scheite auf dem Fußboden sah und »Meister« rief. Ein Diener war er, und keiner von der angenehmsten Sorte.
    Diese Fähigkeit, seine bloßen Gedanken hören zu können, faszinierte mich schon, aber gleichzeitig brachte mich etwas ganz durcheinander. Ja, sein Geruch! Ich hob den Steindeckel des Sarkophags und kletterte heraus. Der Geruch war schwach, aber fast unwiderstehlich. Es war der Moschusduft der ersten Nutte, in deren Bett ich meine Leidenschaft ausgelebt hatte. Es war das gebratene Wildbret nach endlosen Hungerperioden im Winter. Es war neuer Wein oder ein frischer Apfel oder Quellwasser an einem heißen Tag im Gebirge. Nur, dieser Duft war unendlich viel reichhaltiger als all das und weckte einen viel heftigeren und schlichteren Appetit.
    Wie ein Molch schlängelte ich mich durch den Schacht, stieß den Stein in das vordere Zimmer und richtete mich auf.
    Da stand er, der Sterbliche, und starrte mich schreckensbleich an; ein alter, verdorrter Mann, und seine wirren Gedankengänge verrieten mir, daß er der Stallknecht und Kutscher war. Aber das wai beileibe nicht alles.
    Der Groll, den er augenblicklich gegen mich hegte, traf mich wie k die Hitzewelle eines Ofens. Da gab es überhaupt keinen Zweifel. Er musterte mich mit haßerfüllten Augen. Er hatte die erlesene Kleidung, die ich trug, herbeigeschafft; er hatte all die Unglücklichen in das Verlies gesperrt, während sie noch lebten. Und warum, fragte er in stummer Wut, bist du nicht auch da?
    Ich war also ganz begeistert von diesem Kerl, wie man sich unschwer denken kann. Am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle erwürgt.
    »Der Meister!« sagte er verzweifelt. »Wo ist er? Meister!«
    Aber wofür hielt er den Meister? Für einen Zauberer irgendeines Königs, dafür hielt er ihn. Und jetzt hatte ich die Macht. Im großen und ganzen wußte er nichts, was mir hätte nutzen können.
    Aber während mir all das klarwurde, indem ich gegen seinen Willen seine Gedanken schlürfte, versetzten mich die Adern in seinem Gesicht und auf seinen Händen in wahres Entzücken. Und sein Geruch machte mich geradezu trunken. Ich konnte seinen schwachen Herzschlag förmlich spüren, sein Blut förmlich schmecken.
    »Der Meister hat uns verlassen, ist im Feuer verbrannt«, murmelte ich und schlurfte ihm langsam entgegen.
    Er blickte erst auf den rußschwarzen Boden, dann an die rußschwarze Decke.
    »Nein, das ist eine Lüge«, sagte er. Wut flackerte in seinen Augen, und ich wußte, daß er verbittert und verzweifelt nach einer Erklärung suchte.
    Welch herrlicher Anblick war doch lebendes Fleisch! Ich war von gnadenlosem Appetit übermannt. Und er wußte es. Auf seine dumpfe, blinde Art spürte er es, und indem er mir einen letzten feindseligen Blick zuwarf, rannte er zur Treppe. Ich fing ihn sofort ein. Es machte mir sogar Spaß, ihn hochzuheben, ihn hilflos an meiner Hand zappeln zu sehen. Strampelnd mühte er sich, mir Fußtritte zu versetzen.
    Es war wie der Kampf eines starken Mannes gegen ein Kleinkind. In seinem Kopf tobte ein rasender Wirrwarr der Gedanken, aber ihm fiel nichts ein, was zu seiner Rettung hätte führen können.
    Doch weit mehr als das schwächliche Summen seiner Gedanken interessierte mich der Anblick, den er mir bot. Seine Augen waren nicht länger die Fenster seiner Seele. Sie waren Gelatinebällchen, die mir das Wasser im Munde zusammenlaufen ließen. Und sein Körper war nur noch ein zappelnder Leckerbissen aus warmem Fleisch und Blut, den ich um jeden Preis haben mußte.
    Zuerst erschreckte mich die Vorstellung, daß meine Mahlzeit lebendig war, daß köstliches Blut durch diese sich sträubenden Arme und Finger floß, und dann war es mir nur recht. Er war, was er war, und ich war, was ich war, und ich würde genüßlich tafeln.
    Ich zog ihn zu meinen Lippen und riß seine geschwollene Halsschlagader auf. Als mir das Blut gegen den Gaumen

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