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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wie er aus seinem Körper hinaus und in reines Horchen schlüpfte; ja, das war sie. Alle Geräusche der Nacht erhoben sich, ihn zu verwirren, doch er hörte sie; ein unendlich leises Geräusch, das sie nicht verbergen konnte, das Geräusch ihres Atems, ihres Herzschlags, einer Macht, die sich mit märchenhafter Geschwindigkeit durch den Raum bewegte und unvermeidlichen Aufruhr unter den Sichtbaren und Unsichtbaren verursachte.
    Mael spürte es; Armand ebenfalls. Sogar der Novize neben Armand hörte es, obwohl viele der anderen Neulinge nichts vernahmen. Selbst einige der etwas sensibleren Sterblichen schienen etwas zu merken.
    »Ich muß gehen, Freund«, sagte Khayman. »Vergiß meinen Ratschlag nicht.« Er konnte jetzt unmöglich weitersprechen. Sie war schon zu nahe. Zweifellos sah sie sich alles genau an, hörte penibel hin.
    »Wiedersehen, mein Freund«, sagte er. »Es wäre nicht gut für mich, weiter in deiner Nähe zu weilen.«
    Mael sah ihn verwirrt an. Unten zog Armand Daniel an seine Seite und begab sich an das äußere Ende der Menschenmenge.
    Plötzlich ging im Saal das Licht aus; den Bruchteil einer Sekunde lang schrieb Khayman das ihrer Zauberkraft zu, dachte, daß jetzt ein groteskes und rachgieriges Gericht niedergehen würde.
    Aber die sterblichen Kinder um ihn herum wußten, daß das zum Ritual gehörte. Das Konzert würde gleich anfangen! Der Saal verwandelte sich in einen einzigen Hexenkessel aus Geschrei, Gekreische und Gestampfe. Der Fußboden vibrierte.
    Überall kleine Flammen, als die Sterblichen Streichhölzer und Feuerzeuge entzündeten. Das Geschrei schwoll zu einem gewaltigen Chor an.
    »Ich bin kein Feigling«, flüsterte Mael plötzlich, als sei er unfähig, den Mund zu halten. Er griff Khaymans Arm, ließ wieder ab, als würde dessen steinerne Härte ihn abstoßen.
    »Ich weiß«, sagte Khayman.
    »Hilf mir. Hilf Jessica.«
    »Sprich bloß nicht ihren Namen aus. Halte dich fern von ihr, wie ich dir gesagt habe. Schon wieder bist du unterjocht, Druide. Erinnerst du dich? Jetzt ist die Zeit, mit List, nicht mit Mut zu kämpfen. Halte dich in der Herde der Sterblichen auf, ich werde dir helfen, sobald und falls ich kann.«
    Er hätte noch so viel sagen mögen! Sag mir, wo Maharet ist?! Aber dafür war es jetzt zu spät. Er wandte sich ab und eilte den Gang entlang, bis er den Vorplatz über einer langen, engen, schmalen Betontreppe erreichte.
    Unten, auf der abgedunkelten Bühne, erschienen die sterblichen Musiker, huschten über Kabel und an Lautsprechern vorbei, um ihre Instrumente vom Boden hochzunehmen.
    Lestat kam durch den Vorhang geschritten, sein schwarzer Umhang umbauschte ihn, als er sich auf die Bühnenrampe zu bewegte. Er stand keine drei Schritte von Jesse entfernt, das Mikrophon in der Hand.
    Das Publikum drehte durch. Klatschen, Johlen, Schreien, ein Lärm, wie ihn Khayman noch nie vernommen hatte. Er lachte unwillkürlich über diesen rasenden Stumpfsinn, über diese winzige, lächelnde Gestalt da unten, die das alles zutiefst genoß, die sogar lachte, als Khayman lachte.
    Dann ein weißer Blitzstrahl, und die Bühne war in Licht getaucht. Khayman schenkte seine Aufmerksamkeit weniger den kleinen herausgeputzten Figuren als dem riesigen Videoschirm, der hinter ihnen bis zum Dach hinaufreichte. Das Bild Lestats erstrahlte, zehn Meter hoch, vor Khayman. Lestat lächelte. Hob die Arme und schüttelte die gelbe Haarmähne; warf den Kopf zurück und brüllte auf.
    Das Publikum sprang wie verzückt auf; das ganze Gebäude bebte; aber das Gebrüll übertönte alles. Die dröhnende Stimme Lestats schluckte jedes andere Geräusch im Auditorium.
    Khayman schloß die Augen. Im Herzen des monströsen Schreis von Lestat lauschte er wieder nach dem Geräusch Der Mutter, doch vergebens.
    »Meine Königin«, flüsterte er, ließ den Blick suchend schweifen, so hoffnungslos das auch war. Stand sie da draußen auf irgendeinem grünen Hügel, um der Musik ihres Troubadours zu lauschen? Er spürte den leichten, schwülen Wind, und er sah den grauen, sternlosen Himmel, wie die Sterblichen diese Dinge spürten und sahen. Die Lichter von San Francisco, die glitzernden Hügel und leuchtenden Türme, das waren die Signalfeuer der urbanen Nacht, und sie waren plötzlich ebenso schrecklich wie der Mond oder das Forttreiben der Galaxien.
    Er schloß die Augen. Er sah sie wieder so, wie sie damals in jener Straße Athens gewesen war, als die Kaschemme mit ihren Kindern abbrannte; ihr zerlumpter Umhang

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