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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hätte Khayman so viel Glückseligkeit ans Herz gerührt.
    Er hätte ihre Hände berühren, in ihre Augen blicken, ihnen erzählen mögen, wer er war und was er gesehen hatte, er wäre ganz einfach bei ihnen gewesen.
    Aber sie war in der Nähe. Und die Nacht war noch nicht zu Ende.
    Der Himmel wurde heller, und die Wärme des Morgens strich langsam über die Felder. Im wachsenden Licht gerieten die Dinge in Bewegung. Allmählich entkräuselten sich die Blätter an den Bäumen.
    Khayman stand unter dem Apfelbaum, sah zu, wie sich die Farbe der Schatten veränderte, lauschte dem Morgen. Sie war hier, kein Zweifel.
    Sie hielt sich bedeckt, arglistig und mit ganzer Macht. Aber Khayman konnte sie nicht täuschen. Er beobachtete, erwartete, hörte dem Gelächter und dem Geschwätz der kleinen Ordensgemeinschaft zu.
    Unter der Haustür umarmte Lestat seine Mutter, als sie ihn verließ. In ihrer verstaubten Khakikleidung spazierte sie lebhaften Schritts in den Morgen, das Bild einer sorglosen Wandersfrau. Und der schwarzhaarige, hübsche Louis war an ihrer Seite.
    Khayman sah zu, wie sie über das Gras gingen, wobei die Frau den offenen Feldern vor den Wäldern entgegenstrebte, in deren Erde sie zu schlafen gedachte, während der Mann die kühle Dunkelheit eines kleinen Nebengebäudes aufsuchte. Und diesen Louis umgab etwas äußerst Kultiviertes, selbst dann noch, als er unter die Fußbodenbretter schlüpfte; es war die Art und Weise, wie er sich ins Grab bettete, wie er seine Gliedmaßen ordnete, ehe er sich der Finsternis anheim gab.
    Und die Frau: Mit erstaunlicher Kraft wühlte sie sich ihr Geheimversteck zurecht, wobei sich die Blätter gleich wieder so anordneten, als sei sie nie dagewesen. Die Erde barg ihre ausgestreckten Arme, ihren gebeugten Kopf. Sie tauchte in die Träume über die Zwillinge ein, in Bilder vom Dschungel und vom Fluß, Bilder, an die sie sich nie erinnern würde.
    So weit, so gut. Khayman wollte nicht, daß sie starben, verbrannten. Erschöpft lehnte er sich an den Apfelbaum. Der scharfe grüne Duft der Äpfel umfing ihn. Warum war sie hier? Und wo verbarg sie sich? Er fühlte ihre Gegenwart, hörte sie wie das gespenstische Surren einer Maschine der modernen Welt.
    Schließlich schlüpfte Lestat aus dem Haus und eilte seinem Versteck entgegen, das er sich unter den Akazienbäumen am Hügel eingerichtet hatte. Durch eine Falltür verschwand er in einer dunklen Erdkammer.
    Friede umfing sie jetzt alle, Friede bis zum Abend, wenn er der Überbringer schlechter Nachrichten sein würde.
    Die Sonne schob sich näher an den Horizont; die ersten schrägen Strahlen erschienen, was Khaymans Sehvermögen stets trübte. Er richtete seinen Blick auf die stärker werdenden Farben des Hains, während der Rest der Welt seine Konturen und Formen einbüßte. Einen Moment lang schloß er die Augen, wurde sich bewußt, daß er ins Haus gehen, sich einen kühlen und schattigen Platz suchen mußte, wo Sterbliche ihn aller Wahrscheinlichkeit nach nicht stören würden.
    Und bei Sonnenuntergang würde er sie erwarten. Er würde ihnen erzählen, was er wußte; er würde ihnen von den anderen erzählen. Ein Schmerz durchfuhr ihn, als er plötzlich an Mael und Jesse denken mußte, die er nicht finden konnte, als habe die Erde sie verschluckt.
    Er dachte an Maharet und wollte weinen. Aber er begab sich statt dessen zum Haus. Die Sonne wärmte seinen Rücken; seine Glieder waren schwer. Was immer auch geschehen würde, die nächste Nacht würde er nicht allein sein. Er würde bei Lestat und seinen Gefährten sein, und wenn sie ihn abwiesen, würde er sich auf die Suche nach Armand begeben. Er würde gen Norden zu Marius gehen.
    Zuerst hörte er nur das Geräusch - ein lautes, knatterndes Getöse. Er drehte sich um, schützte sich mit der Hand vor der Sonne. Eine gewaltige Erdfontäne schoß aus dem Wald. Die Akazien schwankten wie im Sturm, Aste krachten, Wurzeln hoben sich aus dem Boden, Stämme knickten um.
    In einem dunklen Strahl sturmgeblähter Kleider erhob sich die Königin in wilder Geschwindigkeit, über ihren Armen den schlafenden, kraftlosen Körper Lestats, dem westlichen Himmel entgegenstiebend, fort vom Sonnenaufgang.
    Khayman schrie laut auf. Und sein Schrei durchschallte die Ruhe des Tages. Sie hatte sich also ihren Liebhaber genommen.
    Oh, armer Liebhaber, oh, armer, schöner, blondhaariger Prinz… Aber ihm blieb jetzt keine Zeit mehr, nachzudenken oder zu handeln oder sein eigenes Herz zu erforschen; er

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