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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Zug bewegte sich dem Tempel entgegen.
    Wir stießen nach unten durch die Wolkendecke, und dann sah ich den Tempel wie ein kleines Tonmodell emporleuchten. Der Geruch brennender Körper stieg von lodernden Scheiterhaufen auf. Und soweit mein Auge reichte, gewahrte ich Männer und Frauen, die sich über gefährliche Pfade diesem Gewirr aus Dächern und Türmen entgegenkämpften.
    »Sag, wer da drinnen ist, mein Prinz«, sagte sie. »Sag mir, wer der Gott dieses Tempels ist.«
    Richte deinen Blick darauf! Und dann fahre genau dahin. Der alte Trick, aber plötzlich fiel ich einfach hinunter. Ein schrecklicher Schrei entwand sich meiner Kehle. Sie fing mich auf.
    »Vorsichtiger, mein Prinz«, sagte sie und gab mir mein Gleichgewicht zurück.
    Ich glaubte, mein Herz würde zerspringen. »Du kannst dich nicht aus deinem Körper fortbewegen, um in den Tempel zu blicken, und gleichzeitig fliegen. Du mußt durch die Augen der Sterblichen sehen, so wie du es schon früher getan hast.« Ich zitterte noch immer, klammerte mich an sie. »Du mußt deinem Herzen sagen, was du vorhast.«
    Ich stöhnte erleichtert auf. Durch den ständigen Druck des Windes tat mein Körper plötzlich weh.
    Und meine Augen brannten erneut so schrecklich, daß ich nicht sehen konnte. Aber ich versuchte, diese kleinen Schmerzen zu ignorieren.
    Ich hielt mich fest an sie und zwang mich, langsam nach unten zu gleiten; und dann versuchte ich wieder, durch die Seelen der Sterblichen zu sehen: vergoldete Wände, spitz zulaufende Bögen, üppig geschmückte Wandflächen; Weihrauch, der sich mit dem Geruch frischen Blutes vermischte. Kurz aufblitzend und verschwommen sah ich ihn, »den Gott des Tempels«.
    »Ein Vampir«, flüsterte ich. »Ein blutsaugender Teufel. Er lockt sie herbei und schlachtet sie nach Belieben ab. Es riecht nach Tod.«
    »Und noch mehr Tod wird es geben«, flüsterte sie und küßte zärtlich mein Gesicht. »Jetzt, ganz schnell, so schnell, daß sterbliche Augen dich nicht sehen können. Bring uns in den Hof, genau neben den Scheiterhaufen.«
    Ich hätte schwören können, daß es geschah, bevor ich überhaupt nur den Entschluß gefaßt hatte; ich hatte den Gedanken kaum erst in Erwägung gezogen! Und schon stürzte ich gegen ein rauhes Gemäuer, harte Steine unter meinen Füßen; ich bebte, mein Kopf schwirrte, meine Eingeweide drohten vor Schmerz zu bersten. Mein Körper wollte noch weiter nach unten streben, durch den Felsen hindurch.
    Ich ließ mich an die Mauer sinken und hörte den Gesang, ehe ich noch irgend etwas sehen konnte. Ich roch das Feuer, die brennenden Körper; dann sah ich die Flammen.
    »Das war etwas holprig, mein Prinz«, sagte sie sanft. »Wir wären beinahe in der Mauer gelandet. Ich glaube, du mußt noch einiges lernen.«
    Ihre kalte Hand berührte meine Wange, berührte meine Lippen und strich dann mein zerzaustes Haar zurück.
    »Du hast nie einen Lehrer gehabt, oder?« fragte sie. »Eigentlich hatte dich Magnus in der Nacht, da er dich schuf, zum Waisen gemacht. Dein Vater und deine Brüder waren Narren. Und was deine Mutter anbelangt, sie haßte ihre Kinder.«
    »Ich bin immer mein eigener Lehrer gewesen«, sagte ich kühl. »Und ich muß gestehen, ich bin auch immer mein Lieblingsschüler gewesen.«
    Sie lachte. Das Feuer spielte in ihren Augen. Ihr Gesicht leuchtete, es war erschreckend schön.
    »Ergib dich«, sagte sie, »und ich werde dich Dinge lehren, von denen du nie geträumt hast. Eine Schlacht hast du nie kennengelernt. Eine wahre Schlacht. Und du hast nie die Reinheit einer gerechten Sache erfahren.«
    Ich schwieg. Mir war schwindelig, nicht nur wegen der langen Reise durch die Luft, sondern auch wegen der zärtlichen Liebkosungen ihrer Worte und wegen der unergründlichen Schwärze ihrer Augen. Ich wußte, wenn ich mich gehenließ, würde ich entsetzt sein über das, was kam. Sie muß das auch gespürt haben. Sie nahm mich wieder in ihre Arme. »Trinke, mein Prinz«, flüsterte sie. »Nimm dir die Kraft, die du brauchst, um das zu tun, was ich dich zu tun heißen werde.«
    Ich weiß nicht, wieviel Zeit verging. Als sie sich losriß, war ich einen Augenblick wie benebelt, dann war alles von überwältigender Klarheit, wie immer. Die monotone Tempelmusik drang durch das Gemäuer.
    »Azim! Azim! AzimI«
    Sie zog mich hinter sich her, und ich hatte das Gefühl, als würde mein Körper nicht mehr existieren. Mein Gesicht, die Knochen unter der Haut fühlten sich völlig neu an. Was war von mir noch

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