Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
ihres Landes in Enkils Königreich mit einbringen. So jedenfalls lautete der Klatsch auf den Märkten von Jericho und Ninive und bei den Karawanen, die dorthin kamen, um unsere Waren einzutauschen.
Nun waren die Menschen am Nil bereits Bauern, aber das vergaßen sie gern zugunsten des Krieges und der Jagd auf menschliches Fleisch. Und das entsetzte die schöne Akascha, die sofort entschlossen war, sie von dieser barbarischen Gewohnheit abzubringen, wie es wohl jeder zivilisierte Mensch gewesen wäre.
Wahrscheinlich führte sie auch die Schrift ein, wie die Menschen in Uruk sie kannten - sie waren bedeutende Chronisten -, aber da Schreiben bei uns weitgehend verachtet wurde, weiß ich das nicht genau. Vielleicht hatten die Ägypter auch schon selbst zu schreiben begonnen.
Wie auch immer, ich weiß nicht genau, welche Kenntnisse Akascha aus Uruk mitbrachte. Ich weiß, daß unser Volk viel Gerede über das Verbot des Kannibalismus im Niltal hörte, daß die, die nicht gehorchten, auf grausame Weise hingerichtet wurden. Die Stämme, die seit Generationen Jagd auf Menschenfleisch gemacht hatten, waren wütend, daß sie diesem Vergnügen nicht mehr nachgehen durften; aber noch größer war der Zorn aller Menschen darüber, daß sie ihre eigenen Toten nicht mehr essen durften. Nicht mehr jagen zu dürfen, war eine Sache, aber seine Vorfahren der Erde zu übergeben, bedeutete für sie ein Grauen, wie auch wir es empfunden hätten.
Und damit Akaschas Anordnung befolgt würde, erließ der König eine Verfügung, daß die Leichname aller Toten gesalbt und eingewickelt und dann feierlich bestattet werden mußten.
Und um die Menschen in diesem neuen Brauch noch weiter zu bestärken, überzeugten Akascha und Enkil sie, daß es den Geistern der Toten in der Welt, in die sie sich begeben hatten, besser erging, wenn ihre Körper in diesen Umhüllungen auf Erden bewahrt würden. Mit anderen Worten, den Menschen wurde gesagt: >Eure geliebten Ahnen werden nicht mißachtet; sie sind gut aufgehoben. <
Wir fanden es sehr seltsam, als wir davon hörten - die Toten einzuwickeln und sie in möblierte Kammern über oder unter den Wüstensand zu legen. Wir fanden es seltsam, daß den Geistern der Toten durch die vollkommene Erhaltung ihrer Körper auf der Erde geholfen werden sollte. Denn wie jeder weiß, der je mit den Toten kommuniziert hat, ist es besser, wenn sie ihre Körper vergessen; nur wenn sie ihre irdische Erscheinung aufgeben, können sie zu der höheren Stufe aufsteigen.
Wir fanden das alles sehr seltsam, doch es betraf uns nicht wirklich. Wir waren vom Niltal weit entfernt. Uns taten die Menschen nur leid, weil sie ihre Toten nicht essen durften.
Nach einigen Jahren hörten wir, daß Enkil, um sein Königreich zu einigen und den Widerstand der hartnäckigen Kannibalen zu brechen, eine gewaltige Armee aufgestellt hatte und nach Norden und Süden zu Eroberungskriegen aufgebrochen war. Er hatte Schiffe auf hohe See entsandt. Es war ein alter Trick: Hetze sie alle gegen einen Feind auf, und du hast Ruhe zu Hause.
Doch wiederum, was hatte das mit uns zu tun? Wir lebten in einem heiteren und schönen Land voller schwertragender Obstbäume und Felder wilden Weizens, die jedermann mit der Sichel abmähen durfte. Wir lebten in einem Land mit grünem Gras und kühlen Winden. Aber es gab bei uns nichts, was irgend jemand uns hätte wegnehmen wollen. Das glaubten wir jedenfalls.
Meine Schwester und ich lebten weiterhin an den sanften Hängen des Berges Karmel und unterhielten uns häufig schweigend oder in wenigen vertraulichen Worten mit unserer Mutter oder miteinander, und wir erfuhren von unserer Mutter alles, was sie über die Geister und die Herzen der Menschen wußte.
Wir tranken die berauschenden Tränke, die unsere Mutter aus den Pflanzen gewann, die wir auf dem Berg anbauten, und in unseren Trance- und Traumzuständen reisten wir zurück in die Vergangenheit und sprachen mit unseren Ahnen, sehr mächtigen Hexen, deren Namen wir kannten.
Und die Menschen aus unserem Dorf suchten uns täglich auf, um sich mit uns zu beraten, und wir gaben ihre Fragen an die Geister weiter. Wir versuchten, in die Zukunft zu sehen, was die Geister natürlich in gewisser Weise beherrschen, da manche Dinge eben ihren geregelten Gang gehen.
Hin und wieder brachte man Besessene zu uns. Und wir trieben den Dämon oder den bösten Geist aus, denn mehr war es nie. Und wenn es in einem Haus spukte, gingen wir hin und schickten den bösen Geist
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