Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
Geister.
>Weil der König und die Königin euch Fragen stellen werden<, antworteten die Geister, >und wenn ihr wahrheitsgemäß antwortet, was ihr tun werdet, werden der König und die Königin euch zürnen, und ihr werdet vernichtet werden. <
Natürlich wären wir ohnehin nie nach Ägypten gegangen. Wir verließen unseren Berg nicht. Aber jetzt wußten wir, daß wir nicht gehen durften. Mit allem Respekt sagten wir dem Boten, daß wir unseren Geburtsort nicht verlassen konnten, daß keine Hexe aus unserer Familie je hier weggegangen war, und wir baten ihn, das dem König und der Königin auszurichten. Und also reiste der Bote wieder ab, und das Leben ging wieder seinen normalen Gang.
Abgesehen davon, daß uns einige Nächte später ein böser Geist aufsuchte, den wir Amel nannten. Dieses Wesen - riesig, stark und voller Bosheit - tanzte auf der Lichtung vor unserer Höhle herum und versuchte, Mekares und meine Aufmerksamkeit zu erregen, und erzählte uns, daß wir schon bald seine Hilfe brauchen würden.
An die Schmeicheleien böser Geister waren wir seit langem gewöhnt; es machte sie rasend, daß wir nicht mit ihnen sprachen wie andere Hexen und Zauberer. Doch wir wußten, daß diese Wesen unzuverlässig und unlenkbar waren, und wir waren nie in Versuchung geraten, sie zu benutzen, und glaubten, das auch nie tun zu müssen.
Speziell dieser Amel regte sich über unsere >Mißachtung<, wie er es nannte, auf. Und er verkündete immer wieder, er sei >Amel, der Mächtige< und >Amel, der Unbesiegbare <, und wir sollten ihm Achtung erweisen. Denn es könnte sein, daß wir ihn schon bald dringend brauchten. Vielleicht würden wir ihn dringender brauchen, als wir uns vorstellen könnten, denn Unheil stünde uns bevor.
In diesem Moment kam unsere Mutter aus der Höhle und verlangte von dem Geist zu wissen, welches Unheil er vorhersah.
Das erschreckte uns, denn sie hatte uns immer verboten, mit bösen Geistern zu sprechen; und wenn sie mit ihnen gesprochen hatte, dann immer nur, um sie zu verfluchen oder zu vertreiben oder sie mit Rätseln und Scherzfragen so zu verwirren, daß sie böse wurden, sich dumm vorkamen und aufgaben.
Amel, der Schreckliche, der Böse, der Übermächtige - wie immer er sich selbst bezeichnete, und seine Prahlerei war grenzenlos - sagte nur, daß großes Unheil auf uns zukäme und daß wir, wenn wir schlau wären, ihm angemessene Achtung erweisen sollten. Dann brüstete er sich mit allen Schandtaten, die er für die Hexenmeister in Ninive begangen hatte. Er könne Menschen quälen, behexen und sie sogar zerstechen wie ein Mückenschwarm. Er könne den Menschen Blut aussaugen, behauptete er, und er liebe dessen Geschmack; und er wolle für uns Blut saugen.
Meine Mutter lachte ihn aus. >Wie könntest du so etwas tun?< fragte sie. >Du bist ein Geist, du hast keinen Körper, du kannst nichts schmecken <, sagte sie. Und das ist die Sprache, die Geister immer in Wut bringt, denn sie neiden uns das Fleisch, wie ich schon sagte.
Nun, dieser Geist fiel wie ein Sturmwind über unsere Mutter her, um seine Stärke zu demonstrieren, und sofort bekämpften ihn ihre guten Geister, und es gab einen fürchterlichen Tumult auf der Lichtung; aber als der vorüber war und unsere Schutzgeister Amel vertrieben hatten, sahen wir winzige Einstiche auf den Händen unserer Mutter. Amel, der Böse, hatte ihr Blut gesaugt, genau wie er es angekündigt hatte - als hätte ein Mückenschwarm sie mit kleinen Stichen gepeinigt.
Meine Mutter sah sich diese nadelstichartigen Wunden an; die guten Geister tobten vor Wut darüber, sie so unehrerbietig behandelt zu sehen, doch meine Mutter gebot ihnen, ruhig zu sein. Schweigend grübelte sie darüber nach, wie das möglich war und wie der Geist das Blut, das er gesaugt hatte, schmecken könne.
Doch mehr noch beunruhigte unsere Mutter Amels Warnung, daß uns Unheil drohte. Sie vertiefte die Sorge, die sie verspürt hatte, als sie die ägyptische Schreibtafel in der Hand gehalten hatte. Doch bat sie nicht die guten Geister um Trost oder Rat. Dazu war sie wohl zu klug. Aber das werde ich nie genau wissen. Wie auch immer - unsere Mutter wußte, daß etwas geschehen würde, und sah sich offensichtlich nicht in der Lage, es zu verhindern. Wahrscheinlich wußte sie, daß wir manchmal Katastrophen nur dadurch herbeiführen, daß wir sie zu verhüten suchen.
Und dann erkrankte sie in den folgenden Tagen, wurde hinfällig, und schließlich konnte sie nicht mehr sprechen.
Monatelang
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