Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
war ein Jahr später in einem Berliner Museum eine Vase entdeckt worden, auf der genau diese Figuren abgebildet waren, wie sie, Schalen haltend, vor der Steinbahre knieten. Ein primitives Ding ohne dokumentarischen Nachweis. Aber was machte das schon aus? Es war nach neuesten wissenschaftlichen Methoden auf die Zeit um viertausend vor Christus datiert worden, und unmißverständlich waren in der jüngst entzifferten Schrift der alten Sumerer die Worte aufgemalt, die ihnen allen so viel bedeuteten:
»Die Legende von den Zwillingen«
Ja, das alles hatte den Anschein überwältigender Bedeutung gehabt. Die Grundreste eines Lebenswerks - bis er dann seine Forschungsergebnisse vorlegte.
Sie hatten ihn ausgelacht. Oder ignoriert. Nicht zu glauben, ein derartiges Bindeglied zwischen der Alten und Neuen Welt! Sechstausend Jahre alt, das muß man sich einmal vorstellen! Sie schoben ihn in das »Lager der Verrückten« ab, zu jenen, die von Göttern als Astronauten sprachen oder von dem untergegangenen Königreich Atlantis.
Mit allen Mitteln hatte er sie zu überzeugen versucht, hatte sie aufgefordert, mit ihm zu den Höhlen zu reisen und sich selbst ein Bild zu machen. Er hatte ihnen Pigmentproben vorgelegt, Laborberichte, genaue Untersuchungen der Pflanzen auf den Zeichnungen und sogar der weißen Gewänder der Zwillinge.
Jeder andere hätte aufgegeben. Alle Universitäten und Stiftungen hatten ihm den Rücken gekehrt. Er hatte nicht einmal Geld, für seine Kinder zu sorgen. Er nahm eine Dozentenstelle an, um den Lebensunterhalt zu sichern, und abends schrieb er Briefe an Museen in der ganzen Welt. In Manchester hatte man eine bemalte Tontafel entdeckt und eine weitere in London, und auf beiden waren eindeutig die Zwillinge abgebildet! Er lieh sich Geld, um diese Fundstücke zu photographieren. Für die lächerlichsten Zeitschriften schrieb er Artikel zum Thema. Er setzte seine Suche fort.
Dann kam diese freundliche und exzentrische Frau, die ihm zuhörte, sein Material sichtete und ihm ein altes Stück Papyrus überreichte, das zu Anfang dieses Jahrhunderts in einer Höhle in Oberägypten gefunden worden war und zum Teil genau die gleichen Bilder aufwies sowie die Worte »Die Legende von den Zwillingen«. »Ein Geschenk für Sie«, sagte sie. Und dann kaufte sie ihm die Vase aus dem Berliner Museum und erwarb auch noch die Tontafeln aus England.
Doch die Entdeckung in Peru hatte es ihr am meisten angetan. Sie stattete ihn mit Unsummen Geldes aus, um ihm eine Fortsetzung seiner Arbeit in Südamerika zu ermöglichen.
Jahrelang hatte er Höhle um Höhle nach weiteren Beweisen durchkämmt, die Dorrbewohner nach ihren ältesten Mythen und Überlieferungen befragt, in Ruinenstädten, Tempeln und sogar alten christlichen Kirchen nach Steinen heidnischen Ursprungs gesucht.
Aber Jahrzehnte strichen ins Land, ohne daß er auf etwas stieß.
Letztendlich bedeutete das seinen Ruin. Sogar sie, seine Gönnerin, bat ihn aufzugeben. Sie wollte nicht, daß er sein Leben damit vergeudete. Er sollte jetzt Jüngeren Platz machen. Aber davon wollte er nichts hören. Das war seine Entdeckung! Die Legende von den Zwillingen! Also überwies sie ihm nach wie vor Geld, und er machte weiter, bis er zu alt war, um Berge zu erklimmen und sich seinen Weg durch den Dschungel zu schlagen. In den letzten Jahren hielt er nur noch gelegentlich Vorträge. Es gelang ihm nicht, das Interesse der nachfolgenden Studentengeneration zu wecken, selbst wenn er den Papyrus, die Vase und die Tontafeln zeigte. Dieses Zeug paßte in kein Schema, keine bestimmbare Epoche. Und die Höhlen, konnte man die überhaupt noch aufspüren?
Aber sie hatte ihm immer die Treue gehalten, seine Gönnerin. Sie hatte ihm dieses Haus in Rio gekauft und ein Treuhandvermögen eingerichtet, das nach seinem Tod an seine Tochter übergehen sollte. Mit ihrem Geld war unter anderem die Ausbildung seiner Tochter finanziert worden.
Schon eigenartig, daß sie so sorglos lebten - als wäre seine Arbeit doch noch von Erfolg gekrönt gewesen.
»Ruf sie an«, sagte er wieder. Er wurde allmählich ungehalten, da sich seine Tochter noch immer nicht von der Stelle gerührt hatte. Sie stand neben ihm, blickte auf die Bilder nieder, auf die Gestalten der Zwillinge.
»Cut, Vater«, sagte sie und ließ ihn mit seinem Buch allein.
Am späten Nachmittag des nächsten Tages kam seine Tochter zurück, um ihm einen Kuß zu geben. Die Krankenschwester sagte ihr, daß er wie ein kleines
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