Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
Augen oder der Glanz ihrer Lippen.
Sie paßte genau in den prächtigsten Palast, den man sich vorstellen konnte, sinnlich und königlich wie sie war. Ich wollte wieder ihr Blut, das Blut ohne Aroma, das Blut, für das ich nicht töten mußte. Ich wollte zu ihr gehen und ihre Haut berühren, die absolut undurchdringlich schien, aber plötzlich wie ganz dünner Schorf aufbrechen würde.
»Alle Männer auf der Insel sind tot, oder?« fragte ich. Ich erschrak selbst.
»Alle, bis auf zehn. Es gab siebenhundert Menschen auf dieser Insel. Sieben Männer dürfen weiterleben.«
»Und die anderen drei?«
»Die sind für dich.«
Ich starrte sie an. Für mich? Mein Verlangen nach Blut verlagerte sich etwas, veränderte sich, bezog sich auf ihr Blut, aber auch auf Menschenblut — das heiße, sprudelnde, aromatische Blut, das Blut… Doch es war kein wirklich physisches Bedürfnis. Ich konnte es zwar immer noch irgendwie als Durst bezeichnen, aber in Wirklich!« war es etwas Schlimmeres.
»Willst du sie nicht?« fragte sie spöttisch und lächelte mich an. »Mein widerwilliger Gott, wer wird denn seine Pflichten vernachlässigen? All die Jahre, in denen ich dir zugehört habe, und lange bevor du Songs für mich geschrieben hast, wußtest du, wie ich es liebte, daß du nur die harten Burschen, die jungen Männer genommen hast. Mir gefiel es, daß du Diebe und Mörder gejagt hast, daß du ihre ganze Bösheit aufgesogen hast. Wo ist dein Mut geblieben? Deine Impulsivität? Deine Bereitschaft zum Risiko?«
»Sind sie schlecht?« fragte ich. »Diese Opfer, die mich erwarten?«
Sie kniff einen Moment die Augen zusammen. »Ist das am Ende Feigheit?« fragte sie. »Erschreckt dich die Größe des Plans? Denn das Töten bedeutet doch wohl wenig.«
»Oh, da irrst du dich aber«, sagte ich. »Das Töten bedeutet immer etwas. Doch ja, die Größe des Plans erschreckt mich. Das Chaos, der Verlust aller moralischen Werte. Aber das hat nichts mit Feigheit zu tun.« Wie ruhig ich klang, wie selbstsicher. Und doch war ich alles andere als das, und sie wußte es.
»Komm, sperr dich nicht länger gegen mich und meinen Plan«, sagte Akascha. »Ich liebe dich, wie ich dir schon gesagt habe. Allein dich anzusehen, erfüllt mich mit Glück. Aber du kannst mich nicht beeinflussen. Der bloße Gedanke ist absurd.«
Wir sahen uns schweigend an. Ich suchte nach Worten, um mir selbst zu versichern, wie schön sie war, wie sehr sie den altägyptischen Bildern von Prinzessinnen mit glänzendem Haar glich, deren Namen für immer vergessen sind. Ich versuchte zu verstehen, warum es mir im Herzen weh tat, sie auch nur anzusehen.
»Warum hast du diesen Weg gewählt?« fragte ich.
»Du weißt, warum«, antwortete Akascha geduldig lächelnd.
»Es ist der beste Weg. Es ist der einzige Weg; es ist, nach Jahrhunderten der Suche nach einer Lösung, das zweifelsfrei richtige Konzept.«
»Aber das kannst du nicht wirklich meinen. Ich kann es nicht glauben.« »Natürlich meine ich das. Glaubst du, es ist nur eine Anwandlung von mir? Ich treffe meine Entscheidungen nicht wie du, mein Prinz. Ich schätze zwar deinen jugendlichen Überschwang, aber dein, verzeih, kleinliches Denken ist mir längst fremd. Du denkst in Begriffen wie Lebenszeiten; ich habe über meine Pläne für die Welt, die jetzt mir gehört, seit Tausenden von Jahren nachgedacht. Und die Gründe dafür, so weiterzumachen, wie ich es tue, sind überzeugend. Ich kann diese Welt nicht in ein Paradies zurückverwandeln, ich kann die menschlichen Träume vom Goldenen Zeitalter nicht verwirklichen, wenn ich nicht die Männer völlig ausrotte.«
»Und damit meinst du, die halbe Menschheit ausrotten? Neunzig Prozent aller Männer?«
»Willst du bestreiten, daß damit Kriege, Vergewaltigungen, Gewalttaten aufhören würden?« »Aber der springende Punkt…«
»Nein, beantworte meine Frage. Willst du bestreiten, daß damit Kriege, Vergewaltigungen, Gewalttaten aufhören würden?«
»Warum nicht gleich alle Menschen umbringen? Das würde all dem wirklich ein Ende machen.« »Treib keine Spielchen mit mir, beantworte meine Frage.« »Aber es ist Wahnsinn; es ist Massenmord; es ist widernatürlich.« »Mal langsam, Lestat. Nichts von dem, was du sagst, ist wahr. Was geschehen ist, ist nur natürlich. Haben die Völker dieser Welt in der Vergangenheit nicht immer wieder ihren weiblichen Nachwuchs eingeschränkt? Haben sie ihn nicht millionenfach umgebracht, weil sie nur männliche
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