Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
der geflüsterten Geständnisse der Frauen folgen, die sie gesehen und vielleicht sogar beherbergt hatten. Mochten sie nur draußen im Freien vor uns fliehen und ihre nutzlosen Waffen auf uns abfeuern. Wir würden herniederstoßen, wir würden sie, unsere Beute, einen nach dem anderen vernichten, außer denen, die wir lebend brauchten, deren Blut wir langsam, gnadenlos saugen würden.
Und aus diesem Krieg sollte Frieden entstehen? Aus diesem abscheulichen Spiel sollte ein Paradies entstehen?
Ich versuchte, meine Augen zu öffnen. Ich spürte, wie sie meine Augenlider küßte.
Ich träumte.
Eine dürre Ebene. Der Boden brach auf. Etwas erhob sich, schleuderte die trockenen Erdklumpen aus dem Weg. Dieses Wesen war ich. Dieses Wesen ging über die dürre Ebene, während die Sonne unterging. Der Himmel war immer noch hell. Ich blickte auf meine beschmutzte Kleidung, aber das war nicht ich. Ich war bloß Lestat. Und ich hatte Angst. Ich wünschte, Gabrielle wäre hier. Und Louis.
Louis konnte es ihr vielleicht begreiflich machen. Ach, von uns allen Louis, Louis, der immer alles wußte…
Und da war wieder der vertraute Traum, wie die rothaarigen Frauen vor dem Altar mit dem Leichnam knien - dem Leichnam ihrer Mutter, den zu verzehren sie bereit sind. Ja, es war ihre Pflicht, ihr heiliges Recht, das Hirn und das Herz zu essen. Nur würden sie es nie tun, weil immer irgend etwas Schreckliches geschah.
Soldaten kamen … Ich wünschte mir, ich wüßte die Bedeutung.
Blut.
Ich erwachte mit einem Ruck. Stunden waren vergangen. Das Zimmer hatte sich leicht abgekühlt. Der Himmel war durch das offene Fenster erstaunlich klar. Von ihm kam alles Licht, das den Raum erfüllte.
»Die Frauen warten; und die Opfer - sie haben Angst.«
Die Opfer. Mir schwindelte. Die Opfer würden voll köstlichen Bluts sein.
Männer, die ohnehin sterben würden. Junge Männer ganz für mich allein. »Ja, komm, beende ihre Leiden.«
Taumelnd stand ich auf. Akascha legte mir einen langen Mantel um die
Schultern, einfacher als ihr eigenes Gewand, aber warm und weich anzufühlen. Sie strich mir mit beiden Händen durchs Haar.
»Maskulin - feminin. Ist das alles, was es dazu je zu sagen gab?« flüsterte ich. Mein Körper brauchte etwas mehr Schlaf. Aber das Blut…
Sie langte hoch und berührte mit ihren Fingern meine Wange. Wieder Tränen?
Wir verließen zusammen den Raum und gingen auf einen weiten Treppenabsatz mit einem Marmorgeländer hinaus, von dem eine Treppe in einer Windung in einen riesigen Saal hinunterführte.
Überall Kandelaber. Gedämpftes elektrisches Licht schuf ein angenehmes Dunkel.
Genau in der Mitte waren die Frauen versammelt, vielleicht zweihundert oder mehr; sie standen regungslos da und sahen zu uns auf, die Hände wie zum Gebet gefaltet. Selbst so schweigend wirkten sie zwischen der europäischen Möblierung, den italienischen Hartholzmöbeln mit den vergoldeten Kanten, und dem alten Kamin mit den Marmorverzierungen seltsam unzivilisiert. Über die Wände zogen sich Malereien aus dem achtzehnten Jahrhundert voller leuchtender Wolken und pausbäckiger Engelchen und strahlend blauen Himmels. Die Frauen übersahen diesen Reichtum, der sie nie berührt hatte und der ihnen tatsächlich nichts bedeutete, und sahen hoch zu der Erscheinung auf dem Treppenabsatz, die sich jetzt auflöste und dann in einem Wirbel aus Rascheln und farbigem Licht am Fuß der Treppe sichtbar wurde.
Seufzer stiegen auf, Hände wurden erhoben, um Köpfe wie vor einem Schwall unerwünschten Lichts abzuschirmen. Dann waren alle Augen auf die Himmelskönigin und ihren Begleiter gerichtet, die auf dem roten Teppich standen, nur wenige Fuß über der Versammlung; ich schwankte leicht und biß mir auf die Lippen und versuchte, dies alles klar zu sehen, dieses schreckliche Geschehen, dieses schreckliche Gemenge aus Anbetung und Blutsopfer, als die Opfer vorgeführt wurden.
So schöne Exemplare. Dunkelhaarig, dunkelhäutig; Levantiner. Genauso schön wie die jungen Frauen. Männer mit dem stämmigen Körperbau und der vollkommenen Muskulatur, die Künstler seit Tausenden von Jahren angeregt haben. Kohlschwarze Augen und dunkle Gesichter voller Verschlagenheit und voller Zorn, als sie auf die feindseligen übernatürlichen Wesen blickten, die ringsum den Tod ihrer Brüder angeordnet hatten.
Sie waren mit Lederriemen gefesselt - vermutlich mit ihren eigenen Gürteln und den Gürteln Dutzender anderer. Sie waren nackt bis zur
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