Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
ferne, eintönige Dröhnen. Dann Akaschas Stimme:
Die Sünden der Männer sind jetzt gesühnt, und die, die jetzt noch gehalten werden, sollen gut versorgt - und geliebt - werden. Doch gewährt denen, die übrigbleiben, denen, die euch unterdrückt haben, niemals die Freiheit.
Und dann folgte stumm, ohne vernehmliche Worte, die Lektion.
Die gierige Wollust, die sie gerade miterlebt hatten, das Sterben von meiner Hand, das sie mit angesehen hatten - das alles sollte ihnen eine ewige Mahnung an die Wildheit sein,
die allen männlichen Wesen innewohnte und die nie wieder ausbrechen durfte. Die Männer waren der Verkörperung ihrer eigenen Gewalttätigkeit zum Opfer gefallen.
Die Frauen hier seien Zeugen eines neuen, einzigartigen Zeremoniells geworden, eines neuen heiligen Meßopfers. Und sie würden es wieder erleben, und sie müßten sich immer daran erinnern.
Mir schwindelte der Kopf von den Widersprüchen. Und meine eigenen Pläne aus nicht allzu ferner Vergangenheit waren wieder da, um mich zu quälen. Ich hatte in der Welt der Sterblichen bekannt sein wollen. Ich hatte das Abbild des Bösen auf dem Welttheater sein und dadurch irgendwie Gutes tun wollen.
Und nun war ich wirklich dieses Abbild, ich war seine buchstäbliche Verkörperung und ging durch die Köpfe dieser paar einfachen Seelen in die Mythologie ein, wie sie es versprochen hatte. Und eine leise Stimme flüsterte mir ins Ohr und bearbeitete mich mit dem alten Sprichwort: Überlege dir gut, was du dir wünschst; dein Wunsch könnte in Erfüllung gehen.
Ja, das war des Pudels Kern: Alles, was ich mir je gewünscht hatte, ging in Erfüllung. Im Schrein hatte ich sie geküßt; es hatte mich verlangt, sie zu erwecken; ich hatte von ihrer Macht geträumt; und jetzt standen wir nebeneinander, und um uns herum ertönten Hymnen. Hosianna! Freudenrufe!
Die Türen des Palazzo flogen auf. Wir nahmen unseren Abschied; in Herrlichkeit und Zauber erhoben wir uns und schwebten aus den Türen hinauf über das Dach des alten Hauses und dann über das glitzernde Wasser in die ruhigen Gefilde der Sterne.
Ich hatte keine Angst mehr herunterzufallen; ich hatte vor nichts so Belanglosem mehr Angst. Denn meine Seele - kleinmütig, wie sie war und immer gewesen war - kannte jetzt Ängste, die ich mir nie zuvor hatte vorstellen können.
6
Die Geschichte der Zwillinge
TEIL II
Sie träumte vom Töten. Es war eine große, dunkle Stadt wie London oder Rom, die sie durcheilte, um zu töten, um ihr erstes eigenes süßes menschliches Opfer zu erwischen. Und eben bevor sie die Augen öffnete, hatte sie den Schritt von dem, woran sie ihr ganzes Leben lang geglaubt hatte, zu diesem einfachen, amoralischen Akt - Töten - getan. Sie hatte getan, was das Reptil tut, wenn es in seinem ledrigen Schlitzmaul die winzige, jammernde Maus fängt und sie dann langsam zermalmt, ohne je den zarten, herzzerreißenden Gesang zu hören.
Sie lag wach im Dunkeln, und über ihr war das Haus lebendig; die Alten sagten »Komm«. Irgendwo tönte ein Fernseher. Die Heilige Jungfrau Maria war auf einer Insel im Mittelmeer erschienen.
Kein Hunger. Maharets Blut war zu stark. Der Gedanke wurde stärker, winkte ihr zu wie ein altes Weib in einer dunklen Gasse. Töten.
Sie erhob sich aus dem engen Kasten, in dem sie lag, und ging auf Zehenspitzen durch die Schwärze, bis ihre Hände die Metalltür fühlten. Sie betrat das Treppenhaus und blickte die endlose eiserne Treppe hinauf, die, sich immer wieder überschneidend, einem Skelett ähnelte, und durch das Glas sah sie den Himmel wie Rauch. Mael stand auf halber Höhe, an der Tür des eigentlichen Hauses, und blickte zu ihr herunter.
Das - ich bin eine von euch, und wir sind zusammen und das Gefühl in ihrer Hand auf dem eisernen Geländer ließ sie schwindeln, und sie befiel ein plötzlicher Kummer, ganz flüchtig nur, um all das, was sie gewesen war, bevor diese grausame Schönheit sie bei den Haaren gepackt hatte.
Mael kam herunter, um sie zurückzuholen, da es sie fortriß.
Sie verstanden doch wohl, auf welche Weise die Erde jetzt für sie atmete und der Wald sang und die Wurzeln aus dem Dunkel durch diese irdenen Mauern kamen.
Sie starrte Mael an. Ein schwacher Duft von Wildleder, Staub. Wie hatte sie je glauben können, solche Wesen seien menschlich? Augen, die so funkelten.
Und doch würde die Zeit kommen, da sie wieder unter menschlichen Wesen wandeln würde, und sie würde ihre Blicke auf ihnen ruhen lassen und sie sich dann
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