Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
Hand und drehte mich herum
und zog mich zu sich. »Aber sag, erregt es dich nicht wenigstens ein bißchen?« Ich sah sie an. »Wie meinst du das?«
»Du, der Impulsive. Du, der dieses Kind Claudia zu einer Bluttrinkerin gemacht hat, nur um zu sehen, was geschehen würde?« Ihr Ton war neckisch, aber liebevoll. »Komm schon, möchtest du nicht sehen, was geschieht, wenn alle Männer verschwunden sind? Bist du auch nicht ein bißchen neugierig? Sei ganz ehrlich: Ist es nicht eine hochinteressante Vorstellung?«
Ich antwortete nicht. Dann schüttelte ich den Kopf. »Nein«, sagte ich. »Feigling«, flüsterte sie. Niemand hatte mich je so genannt, niemand. »Feigling«, sagte sie noch einmal. »Kleingeistiges Wesen mit kleinlichen Träumen.«
»Vielleicht würde es keine Kriege und Vergewaltigungen und Gewalttaten mehr geben«, sagte ich, »wenn alle Wesen kleingeistig wären und kleinliche Träume hätten, wie du es ausdrückst.« Sie lachte leise. Nachsichtig.
»Wir können ewig über diese Dinge streiten«, flüsterte sie. »Aber wir werden schon sehr bald Bescheid wissen. Die Welt wird so sein, wie ich sie haben will, und wir werden erleben, wie das geschieht, was ich gesagt habe.«
Sie setzte sich neben mich. Einen Moment lang schien ich den Verstand zu verlieren. Sie legte mir ihre weichen, nackten Arme um den Hals. Es schien nie einen weicheren weiblichen Körper gegeben zu haben, nie etwas Sanfteres und Köstlicheres als ihre Umarmung. Und doch war sie so hart, so stark. Die Lichter im Raum verschwammen. Und der Himmel draußen schien immer leuchtender und dunkelblau.
»Akascha«, flüsterte ich. Ich blickte über die offene Terrasse auf die Sterne. Ich wollte etwas sagen, etwas Entscheidendes, das jeden Streit hinwegfegen würde, doch es entfiel mir wieder. Ich war so schläfrig, sicher war das ihr Wirken. Sie übte einen Zauber aus und wußte doch, daß er mich nicht erlösen würde. Ich spürte wieder ihre Lippen auf meinen Lippen und auf meinem Hals. Ich spürte ihre kühle, seidige Haut.
»Ja, ruhe dich aus, mein Lieber. Und wenn du aufwachst, werden die Opfer warten.« »Opfer…« Ich träumte schon fast, als ich sie umarmte.
»Doch jetzt mußt du schlafen. Du bist immer noch jung und schwach. Mein Blut arbeitet in dir, verändert dich, vervollkommnet dich.»
Ja, es zerstört mich; zerstört mein Herz und meinen Willen. Ich merkte noch vage, wie ich mich bewegte, wie ich mich aufs Bett legte. Ich fiel in die seidenen Kissen zurück, und dann spürte ich ihr seidiges Haar an mir, die Berührung ihrer Finger und wieder ihre Lippen auf meinem Mund. Blut war in ihrem Kuß; Blut pulsierte darunter.
»Höre auf das Meer«, flüsterte sie. »Höre, wie die Blumen sich öffnen. Du kannst sie jetzt hören, denn sie singen.«
Ich ließ mich treiben. Sicher in ihren Armen; sie war die Starke; sie war die, die alle fürchteten.
Vergiß den beißenden Geruch der brennenden Leichen; ja, lausche der See, die an de» Strand unter uns donnert wie Kanonen, lausche, wie sich das Blütenblatt einer Rose löst und auf den Marmor fällt. Und die Welt geht zum Teufel, und ich kann es nicht ändern, und ich liege in ihren Armen, werde gleich schlafen.
»Ist das nicht millionenmal geschehen, mein Liebling?« flüsterte sie. »Daß du einer Welt voller Leiden und Tod den Rücken gekehrt hast, wie es Millionen Sterblicher jede Nacht tun?«
Dunkelheit. Großartige Traumbilder erschienen; ein Palast, noch schöner als dieser. Opfer. Diener. Das sagenhafte Leben von Paschas und Kaisern.
»Ja, mein Liebling, alles, was du begehrst. Die ganze Welt zu deinen Füßen. Ich werde dir einen Palast nach dem anderen bauen; sie, die dich anbeten, werden es tun. Das ist nichts. Das ist das Simpelste daran. Und denke an die Jagd, mein Prinz. Bis das Töten vorüber ist, denke an die Jagd. Denn sie werden vor dir davonlaufen und sich vor dir verstecken, doch du wirst sie finden.«
In dem schwindenden Licht - gerade bevor Träume beginnen -konnte ich es sehen. Ich konnte mich selbst wie die Helden der Antike durch die Luft reisen sehen, über das weite Land, auf dem ihre Lagerfeuer flackerten.
Wie Wölfe würden sie sich in Rudeln bewegen, durch die Städte und durch die Wälder, und sie würden sich nur tagsüber zu zeigen wagen, denn nur dann würden sie vor uns sicher sein. Wenn die Nacht anbrach, würden wir kommen, und wir würden ihnen aufgrund ihrer Gedanken und ihres Blutes und
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