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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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plötzlich abwenden sehen. Sie würde durch irgendeine dunkle Stadt wie London oder Rom eilen. Als sie in Maels Augen blickte, sah sie wieder das alte Weib in der Gasse; aber das war kein wirkliches Bild gewesen. Nein, sie sah die Gasse, sie sah das Töten, ausschließlich. Und schweigend blickten sie beide im selben Moment beiseite, doch nicht hastig, eher ehrerbietig. Er nahm ihre Hand; er sah auf das Armband, das er ihr geschenkt hatte, und küßte sie plötzlich auf die Wange. Und dann rührte er sie die Treppe hinauf in den Raum im Berggipfel.
    Die elektronische Stimme aus dem Fernseher wurde lauter und lauter und sprach von einer Massenhysterie in Sri Lanka. Frauen mordeten Männer. Selbst männliche Babys wurden ermordet. Auf der Insel Lynkonos war es zu Massenhalluzinationen und einer Epidemie von ungeklärten Todesfällen gekommen.
    Es wurde ihr nur allmählich klar, was sie da hörte. Es war also nicht die Heilige Jungfrau Maria; und als sie zuerst davon gehört hatte, hatte sie gedacht, wie schön, daß sie an so etwas glauben können. Sie wandte sich Mael zu, aber der blickte geradeaus. Er wußte von diesen Dingen. Das Fernsehen hatte ihm schon seit einer Stunde davon berichtet.
    Als sie jetzt in den Raum im Gipfel des Berges kam, sah sie das grausige blaue Flimmern. Und das merkwürdige Bild dieser ihrer neuen Brüder im Geheimbund der Untoten, die verstreut wie ebenso viele Statuen herumsaßen, im blauen Licht schimmernd, und gebannt auf den großen Bildschirm starrten.
    »… die jüngsten Ausbrüche durch Giftstoffe in Nahrungsmitteln und im Trinkwasser verursacht wurden. Noch keine Erklärung hat man bisher für die gleichlautenden Berichte aus weit voneinander entfernten Orten gefunden, zu denen jetzt auch verschiedene abgelegene Dörfer in den Bergen von Nepal gehören. Vernommene behaupten, eine wunderschöne Frau gesehen zu haben, die wechselweise die Heilige Jungfrau, die Himmelskönigin oder einfach die Göttin genannt wird, die ihnen befohlen habe, bis auf wenige Ausnahmen alle Männer in ihrem Dorf umzubringen. Einige Berichte sprechen auch von einer männlichen Erscheinung, einer blonden Gottheit, die nicht spricht und die bislang noch keinen offiziellen oder inoffiziellen Titel oder Namen hat…«
    Jesse blickte Maharet an, die ausdruckslos zusah, eine Hand auf der Armlehne ihres Stuhls.
    Zeitungen bedeckten den Tisch. Zeitungen in Französisch und Hindustani ebenso wie in Englisch.
    Maharet berührte die kleine schwarze Fernbedienung unter ihrer Hand, und das Fernsehbild verschwand. Der ganze Fernseher schien nach und nach in dem dunklen Holz zu verschwinden, als die Fenster durchlässig und die Baumwipfel als unendliche, umnebelte Schichten vordem grellen Himmel sichtbar wurden. Weit entfernt sah Jesse die funkelnden Lichter von Santa Rosa, eingebettet in den dunklen Hügeln. Sie konnte die Sonne riechen, die in diesem Haus gewesen war; sie konnte fühlen, wie die Hitze langsam durch die gläserne Decke entwich.
    Sie sah die anderen an, die in bestürztem Schweigen dasaßen. Marius starrte auf den Bildschirm, auf die Zeitungen, die vor ihm ausgebreitet waren.
    »Wir haben keine Zeit zu verlieren«, sagte Khayman hastig zu Maharet. »Du mußt mit deiner Erzählung fortfahren. Wir wissen nicht, wann sie hierherkommen wird.«
    Er machte eine flüchtige Handbewegung, und die ausgebreiteten Zeitungen wurden plötzlich weggeräumt, zusammengeknüllt und sausten geräuschlos ins Feuer, das sie in einem Sturm verschlang, der eine Funkenfontäne in den klaffenden Rauchfang hinaufschickte.
    Jesse war plötzlich schwindelig. Zu schnell, all das. Sie sah Khayman an. Würde sie sich je daran gewöhnen? An ihre porzellanartigen Gesichter und ihre unerwarteten Ausbrüche, ihre sanften menschlichen Stimmen und ihre nahezu unmerklichen Bewegungen?
    Und was tat Die Mutter? Männer wurden abgeschlachtet. Das Lebensgefüge dieser unwissenden Menschen total zerstört. Ein frostiges Gefühl von Bedrohung beschlich sie. Sie suchte in Maharets Gesicht nach Einblick, nach einer Verständnishilfe.
    Aber Maharets Züge waren völlig starr. Sie hatte Khayman nicht geantwortet. Sie wandte sich langsam dem Tisch zu und verschränkte die Hände unter dem Kinn. Ihre Blicke waren trüb, unfixiert, als sähe sie nichts vor sich.
    »Es ist klar, sie muß vernichtet werden«, sagte Marius, als könne er nicht länger an sich halten. Farbe flammte durch seine Wangen und erschreckte Jesse, da für einen Augenblick alle

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