Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
zog den hilflosen Leichnam des Königs zu sich heran und biß in seine Halsschlagader.
Khayman ließ die Fackel fallen. Er wich halbwegs von der offenen Tür zurück. Doch als er gerade um sein Leben laufen wollte, hörte er die Stimme des Königs. Der König sprach sanft zu ihr. >Akascha<, sagte er. >Meine Königin.< Und sie richtete sich auf, sie zitterte, sie weinte, sie starrte auf ihren eigenen Körper und auf seinen Körper, auf ihr glattes Fleisch und auf seines, das immer noch von so vielen Wunden zerrissen war. >Khayman<, rief sie. >Deinen Dolch. Gib ihn mir. Sie haben ihre Waffen mitgenommen. Deinen Dolch. Ich brauche ihn jetzt. <
Khayman gehorchte sofort, obwohl er sicher war, seinen König nun endgültig sterben zu sehen. Aber die Königin zerschnitt sich mit dem Dolch selbst die Handgelenke und sah zu, wie das Blut hinunter auf die Wunden ihres Mannes floß, und sie sah, wie es diese heilte. Und schreiend vor Erregung verschmierte sie das Blut über sein ganzes zerstochenes Gesicht.
Die Wunden des Königs heilten. Khayman sah es. Khayman sah, wie die klaffenden Wunden sich schlössen. Er sah, wie der König sich herumwarf, die Arme hob und hin und her bewegte. Seine Zunge leckte Akaschas vergossenes Blut auf, das an seinem Gesicht herunterlief. Und dann erhob er sich zur selben tierischen Haltung, die die Königin nur Augenblicke zuvor eingenommen hatte, umarmte seine Frau und öffnete seinen Mund an ihrer Kehle.
Khayman hatte genug gesehen. Im flackernden Licht der erlöschenden Fackel waren diese beiden bleichen Gestalten zur Heimsuchung für ihn geworden, sie waren selbst Dämonen. Er sprang rückwärts aus dem kleinen Haus und gegen die Gartenmauer. Und da, so scheint es, verlor er das Bewußtsein; er spürte das Gras in seinem Gesicht, als er zusammenbrach.
Als er erwachte, fand er sich auf einem goldenen Lager in den Gemächern der Königin liegend. Der ganze Palast war still. Er sah, daß seine Kleider gewechselt, und sein Gesicht und seine Hände gebadet worden waren, und um ihn herum war nur sehr schwaches Licht und süßer Weihrauchduft, und die Türen zum Garten standen offen, als gebe es nichts zu befürchten.
Dann sah er im Halbdunkel den König und die Königin, die auf ihn herabblickten; nur waren das nicht sein König und seine Königin. Schon wollte er aufschreien, so wie er die anderen hatte aufschreien hören; aber die Königin beruhigte ihn.
>Khayman, mein Khayman<, sagte sie. Sie übereichte ihm seinen schönen Dolch mit dem goldenen Griff. > Du hast uns so gut gedient. <
An dieser Stelle unterbrach Khayman seine Geschichte. >Morgen abend<, sagte er, >wenn die Sonne untergeht, werdet ihr selbst sehen, was geschehen ist. Denn dann, und nur dann, wenn alles Licht vom westlichen Himmel verschwunden ist, werden sie gemeinsam in den Räumen des Palastes erscheinen, und ihr werdet sehen, was ich gesehen habe.<
>Aber warum nur in der Nacht?< fragte ich ihn. >Was hat das zu bedeuten?<
Und dann erzählte er uns, daß sie, keine Stunde nachdem er aufgewacht und noch bevor die Sonne aufgegangen war, von den offenen Türen des Palastes zurückgewichen waren und geklagt hatten, daß das Licht in ihren Augen weh tat. Sie hatten sich schon von Fackeln und Lampen ferngehalten, und nun schien der Morgen sie zu bedrängen, und es gab keinen Platz im Palast, an dem sie sich verstecken konnten.
Verstohlen, von Decken verhüllt, verließen sie den Palast. Sie rannten mit einer Geschwindigkeit, mit der es kein menschliches Wesen aufnehmen konnte. Sie liefen zu den Mastabas oder Gräbern der alten Familien, die mit Pomp und Zeremonien gezwungen worden waren, ihre Toten zu mumifizieren. Kurz und gut, sie liefen so schnell, daß Khayman ihnen nicht folgen konnte, zu den heiligen Stätten, die niemand entweihen würde. Doch einmal hielt der König an. Er rief den Sonnengott Ra an und bat um Gnade. Dann entschwanden der König und die Königin aus Khaymans Blickfeld; sie weinten, schützten ihre Augen vor der Sonne, jammerten, als ob die Sonne sie verbrannte, obwohl deren Licht noch kaum am Himmel zu sehen war.
>Seitdem sind sie an keinem Tag vor Sonnenuntergang erschienen; sie kommen von den heiligen Grabstätten hierher, aber niemand weiß, woher genau. Tatsächlich warten die Leute jetzt in großer Zahl auf sie, bejubeln sie als Gott und Göttin, als wirkliche Erscheinungen von Osiris und Isis, den Gottheiten des Mondes, und streuen Blumen und verbeugen sich vor ihnen.
Denn weit und breit hat
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