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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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verändernden Wolken, wie große Segelschiffe getrieben von frischen Winden. Was hatten die ersten Europäer gedacht, als sie auf dieses fruchtbare, von der glitzernden See umgebene Land sahen? Daß dies der Garten Gottes war?
    Und dann die Vorstellung, wie sie massenhaft Tod gebracht hatten, so daß die Eingeborenen innerhalb weniger kurzer Jahre verschwunden waren, vernichtet durch Sklaverei, Krankheit und grenzenlose Grausamkeit. Kein einziger Blutsnachfahre jener friedlichen Wesen war übriggeblieben, die diese Luft geatmet und die Früchte, die das Jahr über reiften, von den Bäumen gepflückt und die ihre Besucher möglicherweise für Götter gehalten hatten, die ihre Freundlichkeiten nur erwidern konnten.
    Und jetzt Aufruhr und Tod da unten in den Straßen von Port-au-Prince, ohne daß wir ihn ausgelöst hätten. Es wiederholte sich nur einmal mehr die einförmige Historie dieses blutigen Ortes, an dem seit vierhundert Jahren die Gewalt gediehen war, wie Blumen gedeihen; und doch konnte der Anblick der Hügel, die sich in den Nebel erhoben, einem das Herz brechen.
    Aber wir hatten unsere Arbeit gut gemacht, sie, weil sie handelte, und ich, weil ich nichts tat, sie daran zu hindern - in den kleinen Städten entlang der gewundenen Straße, die zu diesem bewaldeten Gipfel führte. Städte aus winzigen, pastellfarbenen Häusern und wild wachsende Bananenstauden und die Menschen so arm, so hungrig. Selbst jetzt sangen die Frauen ihre Hymnen und bestatteten, im Licht ihrer Kerzen und der brennenden Kirche, die Toten.
    Wir waren allein. Weit weg vom Ende der schmalen Straße, wo der Wald wieder wuchs und die Ruine dieses alten Hauses verbarg, das einst das Tal wie eine Zitadelle beherrscht hatte. Jahrhunderte, seit die Plantagenbesitzer hier ausgezogen waren; Jahrhunderte, seit sie in diesen verfallenen Räumen getanzt und gesungen und ihren Wein getrunken hatten, während die Sklaven weinten.
    Über die Backsteinmauern kletterten die im Mondschein fluoreszierenden Bougainvillea. Und aus dem gefliesten Fußboden war ein großer Baum gewachsen, voller Mondblüten, der mit seinen knorrigen Ästen die letzten Reste der alten Balken verdrängte, die einst das Dach getragen hatten.
    Ach, für immer hier zu sein, mit ihr. Und alles andere wäre vergessen. Kein Tod, kein Morden.
    Akascha seufzte; »Dies ist das Himmelreich.« In dem kleinen Dorf da unten hatten die Frauen barfuß und mit Keulen in der Hand die Männer gejagt. Und der Voodoo-Priester hatte ihnen seine alten Verwünschungen entgegengeschleudert, als sie ihn auf dem Friedhof erwischten. Ich hatte den Ort des Gemetzels verlassen; ich war allein auf den Berg gestiegen. Ich war geflohen, zornig, unfähig, weiterhin Zeuge zu sein.
    Und sie war mir nachgekommen und hatte mich in dieser Ruine gefunden, wo ich mich an etwas hielt, das ich verstehen konnte. Das alte Eisentor, die verrostete Glocke; die mit Wein bewachsenen Backsteinsäulen; Dinge, von Händen gestaltet, die überdauert hatten. Oh, wie sie mich verwöhnt hatte.
    Die Glocke, die die Sklaven gerufen hatte, sagte sie; dies war der Wohnort derer gewesen, die diese Erde mit Blut getränkt hatten;
    warum war ich von den Hymnen einfacher, in Ekstase verfallener Seelen verletzt und hierhergetrieben worden? Würde das immer wieder geschehen? Und hatte es nicht gute Gründe, daß solch ein Haus so verfallen war? Wir hatten gestritten, wie Liebende streiten.
    »Ist es das, was du willst?« hatte sie gesagt, »Niemals mehr Blut schmecken?«
    »Ich war ein anspruchsloses Wesen; gefährlich, ja, aber anspruchslos. Was ich tat, tat ich, um am Leben zu bleiben.«
    »Oh, du machst mich traurig. Solche Lügen. Solche Lügen. Was muß ich tun, damit du begreifst? Du bist so blind, so selbstsüchtig!«
    Ich hatte es wieder gesehen, das Leiden in ihrem Gesicht, den plötzlichen Anflug von Verletztheit, der sie so ganz und gar menschlich machte. Ich hatte die Arme nach ihr ausgestreckt.
    Und dann hatten wir einander stundenlang in den Armen gelegen;
    jedenfalls schien es uns so.
    Und nun der Frieden und die Ruhe; ich ging vom Abhang zurück, und ich hielt sie wieder im Arm. Als sie zu den gewaltigen, sich auftürmenden Wolken blickte, durch die der Mond sein unheimliches Licht ausgoß, hörte ich sie sagen: »Dies ist das Himmelreich.«
    Wie ich jetzt neben ihr stand, die Arme um sie geschlungen, das bedeutete reine Glückseligkeit. Und ich hatte wieder den Nektar getrunken, ihren Nektar, wenn ich auch geweint und gedacht

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