Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
gelitten und waren gebräunt worden, aber mehr nicht. Ich selbst wurde lediglich gebräunt, und wenn ich auch viele Nächte lang große Schmerzen litt, hatte das doch einen seltsamen Nebeneffekt:
Mit dieser dunklen Haut war es jetzt einfacher für mich, mich unter menschlichen Wesen zu bewegen.
Natürlich war das alles damals ein großes Rätsel für mich. Ich wollte wissen, warum ich in meinen Träumen Feuer gesehen und die Schreie so vieler Sterbender gehört hatte und warum andere, die ich erschaffen hatte, geliebte Zöglinge, diesen unsäglichen Tod gestorben waren.
Also reiste ich von Indien nach Ägypten, das für mich immer ein verhaßter Ort war. Und da hörte ich Berichte über Marius, einen jungen römischen Bluttrinker, der wunderbarerweise nicht verbrannt war und der gekommen war und Die Mutter und Den Vater gestohlen und von Alexandria an einen Ort gebracht hatte, wo niemand sie - oder uns - je wieder verbrennen konnte.
Es war nicht schwierig, Marius zu finden. Wie ich euch erzählt habe, konnten wir uns in den ersten Jahren gegenseitig nicht hören. Aber im Laufe der Zeit konnten wir die Jungen hören, als wären sie menschliche Wesen. Ich entdeckte Marius’ Haus in Antiochia, einen veritablen Palast, in dem er ein Leben von römischem Prunk führte, obwohl er in den Stunden vor Morgengrauen in den dunklen Straßen menschliche Opfer jagte.
Er hatte schon Pandora, die er mehr als alles auf der Welt liebte, zur Unsterblichen gemacht. Und Die Mutter und Den Vater hatte er in einem kostbaren Heiligenschrein untergebracht, den er eigenhändig aus Carraramarmor und Mosaikeinlagen gebaut hatte und in dem er Weihrauch verbrannte, als ob er ein Tempel wäre, als ob sie wirkliche Götter wären.
Ich wartete meine Chance ab. Er und Pandora gingen auf die Jagd. Ich ließ die Schlösser aufspringen und betrat das Haus.
Ich sah Die Mutter und Den Vater, dunkel geworden wie ich, aber schön und leblos wie schon tausend Jahre früher. Er hatte sie auf einen Thron gesetzt, und so sollten sie zweitausend Jahre lang dasitzen, wie ihr alle wißt. Ich ging zu ihnen, ich berührte sie. Ich schlug sie. Sie rührten sich nicht. Dann machte ich mit einem langen Dolch die Probe. Ich stach in das Fleisch Der Mutter, das wie mein eigenes Fleisch zu einer elastischen Hülle geworden war. Ich stach in den unsterblichen Körper, der unzerstörbar geworden war und gleichzeitig täuschend zerbrechlich wirkte, und die Klinge traf genau ins Herz. Ich zog sie von links nach rechts, dann hielt ich inne.
Einen Augenblick lang floß ihr Blut zäh und dickflüssig; einen Augenblick setzte ihr Herzschlag aus; dann begann die Verletzung zu verheilen; das vergossene Blut erstarrte wie Bernstein, während ich zusah.
Aber am wichtigsten war, daß ich den Augenblick gespürt hatte, in dem das Herz das Blut nicht mehr gepumpt hatte; ich hatte den Schwindel, die leichte Benommenheit gespürt, den Atem des Todes. Ohne Zweifel hatten es die Bluttrinker in aller Welt gespürt, die Jungen wahrscheinlich so heftig, daß es sie von den Beinen riß. Das Herz Amels war immer noch in ihr, und die schrecklichen Verbrennungen und der Atem des Todes, den ich verspürt hatte, als ich den Dolch in ihr Herz gesenkt hatte, bewiesen, daß das Leben der Bluttrinker in ihrem Körper verankert war und immer sein würde.
Wenn es nicht so gewesen wäre, würde ich sie damals vernichtet haben. Ich würde sie zerstückelt haben; denn keine verstrichene Zeit könnte je meinen Haß auf sie abkühlen lassen, meinen Haß wegen all dem, was sie meinem Volk angetan hatte, und weil sie Mekare von mir getrennt hatte. Mekare, meine zweite Hälfte; Mekare, mein zweites Ich.
Wie herrlich wäre es gewesen, wenn die Jahrhunderte mich Vergebung gelehrt hätten, wenn meine Seele sich geöffnet hätte, um all das Unrecht zu verstehen, das mir und meinem Volk angetan worden war.
Aber ich sage euch, es ist die menschliche Seele, die sich im Laufe der Jahrhunderte der Vollkommenheit nähert, es ist die menschliche Rasse, die mit jedem Jahr, das vergeht, fähiger zum Lieben und Vergeben wird. Ich bin mit Ketten, die ich nicht sprengen kann, in der Vergangenheit verankert. Bevor ich ging, beseitigte ich alle Spuren dessen, was ich getan hatte. Eine Stunde vielleicht starrte ich die beiden Statuen an, die zwei bösartigen Wesen, die vor so langer Zeit mein Geschlecht vernichtet und solches Übel über mich und meine Schwester
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