Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
immer noch Hymnen gesungen werden. Und die Museen in aller Welt quellen über von religiösen Malereien und Skulpturen, die die Seele verblenden und demütigen.
Welch großartige Errungenschaft scheint das zu sein: die gesamte menschliche Kultur verwurzelt im religiösen Glauben, geprägt und inspiriert von ihm! Und doch hat dieser Glaube einen unmenschlichen Preis gehabt; Nationen sind im Namen des Glaubens aufgehetzt und Armeen gegeneinandergetrieben worden, in seinem Namen ist die Weltkarte in Sieger und Besiegte aufgeteilt, sind die Verehrer fremder Götter ausgerottet worden! Aber in den letzten paar Jahrhunderten ist ein wirkliches Wunder geschehen, das nichts mit Geistern oder Erscheinungen zu tun hat oder mit himmlischen Stimmen, die diesem oder jenem Zeloten mitteilen, was wir jetzt zu tun haben.
Wir haben bei den menschlichen Wesen endlich Widerstand gegen das Übernatürliche erkennen können, Skepsis gegenüber den Werken der Geister oder jenen, die behaupten, sie zu sehen und zu verstehen und ihre Lehren zu verkünden. Wir haben erlebt, wie der menschliche Verstand sich langsam von den Traditionen des Rechts löste, das auf göttlicher Offenbarung beruhte, um die Prinzipien der Ethik in der Vernunft zu suchen. Wir haben erlebt, wie die Achtung vor dem Physischen und dem Geistigen in allen menschlichen Wesen zur Grundlage des menschlichen Zusammenlebens erklärt wurde. Und mit diesem Verlust der Achtung vor übernatürlichen Erscheinungen, mit diesem Verlust der Leichtgläubigkeit gegenüber allem, was nicht fleischlich war, ist das aufgeklärteste aller Zeitalter angebrochen, denn Männer und Frauen suchen die höchste Erleuchtung nicht mehr im Reich des Unsichtbaren, sondern im Bereich des Menschlichen, des Wesens, das sowohl Fleisch als auch Geist ist, sowohl sichtbar als auch unsichtbar, sowohl irdisch als auch transzendent.
Der Spiritist, der Hellseher, die Hexe, wenn ihr wollt, sie sind überflüssig geworden, davon bin ich überzeugt. Die Geister können uns nichts mehr geben. Alles in allem haben wir die Empfänglichkeit für solchen Wahnsinn überwunden, und wir nähern uns einer Vollkommenheit, wie sie die Welt nie gekannt hat.
Das Wort ist endlich Fleisch geworden, um das alte Bibelwort in all seiner Rätselhaftigkeit zu zitieren, doch das Wort ist das Wort der Vernunft, und das Fleisch ist die Anerkennung der Bedürfnisse und Sehnsüchte, die alle Männer und Frauen teilen.
Und was würde unsere Königin mit ihrem Eingreifen für diese Welt tun? Was würde sie ihr geben - sie, deren bloße Existenz jetzt ohne Belang ist; sie, deren Verstand jahrhundertelang in einem Reich finsterer Träume eingeschlossen war? Sie muß aufgehalten werden, Marius hat recht; wer wollte ihm widersprechen?
Wir müssen darauf vorbereitet sein, Mekare zu helfen, ihr nicht entgegenzuarbeiten, selbst wenn es das Ende für uns alle bedeutet.
Aber ich will jetzt zum letzten Kapitel meiner Geschichte kommen, in dem die Bedrohung, die Die Mutter für uns alle darstellt, aufs deutlichste zutage tritt.
Wie ich schon erwähnte, hat Akascha mein Volk nicht ausgerottet. Es lebt weiter in meiner Tochter Miriam und in ihren Töchtern und in den Töchtern, die sie zur Welt brachten.
Ich war nach Jahren in das Dorf zurückgekehrt, in dem ich Miriam gelassen hatte, und fand sie als junge Frau wieder, die mit den Geschichten aufgewachsen war, die zur Legende von den Zwillingen werden sollten.
Im Mondschein nahm ich sie mit mir auf den Berg und zeigte ihr die Höhlen ihrer Vorfahren und gab ihr einige Halsketten und das Gold, das immer noch so tief in den ausgemalten Grotten versteckt war, daß kein anderer sich dorthin traute.
Und ich erzählte Miriam alle Geschichten über ihre Vorfahren, die ich kannte.
Doch ich beschwor sie: Halte dich von den Geistern fern; halte dich fern von jeglichem Umgang mit unsichtbaren Wesen, wie auch immer sie von den Leuten bezeichnet werden, und ganz besonders, wenn sie Götter genannt werden. Dann ging ich nach Jericho, denn in den überfüllten Straßen dort war es einfach, Opferzujagen, jene, die sich den Tod wünschten und mein Gewissen nicht beunruhigten; und man konnte sich leicht vor neugierigen Augen verstecken. Doch ich sollte Miriam im Laufe der Jahre viele Male besuchen; und Miriam gebar vier Töchter und zwei Söhne, und diese wiederum gebaren fünf Kinder, die die Reife erlebten, und von diesen fünfen waren zwei Frauen, und diese
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