Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
willst du zusehen, wie ich sterbe, und du wirst das interessant finden, oder? Louis hatte recht. Du siehst einfach zu, wie deine sterblichen Sklaven umkommen, sie bedeuten dir einfach nichts. Du wirst zusehen, wie sich beim Sterben meine Gesichtsfarbe ändert.«
»So spricht Louis«, sagte Armand geduldig. »Bitte erwähne dieses Buch nicht in meiner Gegenwart. Ich würde lieber sterben, als dich sterben zu sehen, Daniel.«
»Dann schenk es mir! Verdammt noch mall So nah der Unsterblichkeit zu sein, so nah wie deinen Armen.«
»Nun, Daniel, ich würde selbst lieber sterben als dir das anzutun.«
Aber auch wenn Armand nicht die Ursache jener Wahnsinnszustände war, die Daniel immer wieder nach Hause trieben, so wußte er doch stets, wo sich Daniel gerade aufhielt. Er konnte Daniels Hilferufe hören. Das Blut verband sie, es konnte nicht anders sein - die kostbaren kleinen Schlucke brennenden, übernatürlichen Blutes, die kleinen Schlucke, die stets nur ausreichten, um Daniels Wunschvorstellungen zu wecken und seinen Durst nach Ewigkeit. Wie auch immer, Armand konnte ihn jederzeit finden, darüber gab es gar keinen Zweifel.
Während der ersten Jahre, sogar noch vor dem Blutaustausch, hatte Armand Daniel mit der List einer alten Hexe verfolgt. Auf der ganzen Welt hatte es kein sicheres Versteck für Daniel gegeben.
Furchteinflößend, doch verführerisch waren ihre Anfänge vor zwölf Jahren in New Orleans gewesen, als Daniel ein altes, verfallenes Haus im Garden District betreten und sofort gewußt hatte, daß dies der Zufluchtsort von Lestat war. Zehn Tage zuvor hatte er San Francisco nach seinem nächtlichen Endlosinterview mit dem Vampir Louis verlassen, und er litt noch immer an der Bestätigung der eben gehörten Schauergeschichte. In einer plötzlichen Umarmung hatte Louis seine übernatürlichen Kräfte unter Beweis gestellt und Daniel bis an die Schwelle des Todes ausgesaugt. Die punktierten Bißwunden waren zwar verschwunden, nicht aber die Erinnerung, und die hatte Daniel an den Rand des Wahnsinns getrieben. Von Fieber geschüttelt, konnte er kaum mehr als ein paar hundert Meilen täglich reisen. In billigen, abgelegenen Motels, wo er sich zur Nahrungsaufnahme zwang, hatte er die Bänder mit dem Interview abgeschrieben und das Manuskript seinem New Yorker Verleger geschickt, so daß das Buch bereits in den Satz ging, noch ehe er vor Lestats Eingangstür stand.
Aber die Veröffentlichung des Buches war für ihn danach längst schon von zweitrangiger Bedeutung, ein Ereignis, das mit den Werten einer verblassenden und fernen Welt im Zusammenhang stand.
Er mußte Lestat finden. Er mußte den Unsterblichen ausgraben, der Louis erschaffen hatte, den Unsterblichen, der noch irgendwo in dieser schwülen, dekadenten und schönen alten Stadt überdauerte und vielleicht darauf wartete, daß ihn Daniel auferweckte, um ihn in dieses Jahrhundert zu rühren, das ihn mit seinen Schrecknissen buchstäblich unter die Erde getrieben hatte.
Und das war sicher auch in Louis’ Sinne. Warum sonst hätte er Daniel so viele Hinweise gegeben, wo Lestat zu finden sei? Doch ein paar Einzelheiten waren irrerührend. Drückte das Louis’ Zwiespältigkeit aus? Im Grunde war es egal. Der Grundbucheintrag ließ keinen Zweifel zu, der rechtmäßige Eigentümer des fraglichen Hauses hieß; Lestat de Lioncourt.
Das Eisengatter war nicht einmal abgesperrt gewesen, und nachdem er sich durch den zugewucherten Garten gewühlt hatte, war es ihm ein leichtes gewesen, das verrostete Schloß an der Eingangstüre aufzubrechen.
Er trat ein. Er hatte nur seine kleine Taschenlampe dabei, aber der Mond sandte sein klares weißes Licht durch das Geäst der Eichen. Er konnte deutlich die Bücher ausmachen, die Reihe um Reihe an jeder Wand eines jeden Zimmers bis unter die Decke gestapelt waren. Kein menschliches Wesen hätte sich zu einem derart methodischen Wahnsinn hinreißen lassen können oder wollen. Und dann, im oberen Schlafzimmer, kniete er sich in den dicken Staub, der den zerfressenen Teppich bedeckte, und fand die goldene Taschenuhr, in die der Name Lestat eingraviert war.
Welch erregender Augenblick, da der Irrsinn, der ihn stets bedrohte, nachließ, um einer neuen Leidenschaft Platz zu machen - bis ans Ende der Welt würde er diese blassen und todbringenden Wesen verfolgen, deren Existenz er nur flüchtig zu sehen bekommen hatte.
Was hatte er damals eigentlich gewollt? Hatte er gehofft, zu den tiefsten Lebensgeheimnissen
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