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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Verbindung. Er hatte sofort zum Telefonhörer greifen wollen. In Miami war es vier Uhr morgens gewesen. Warum zum Teufel hatte er nicht angerufen? Armand wäre auf der Terrasse seiner Villa gesessen, um der unermüdlichen Flotte weißer Boote zuzusehen, die vor Night Island hin- und herkreuzte. »Ja, Daniel?« Diese sinnliche, einnehmende Stimme. »Beruhige dich und sage mir, wo du steckst, Daniel.«
    Aber Daniel hatte nicht angerufen. Vor sechs Monaten hatte er Night Island verlassen, und diesmal endgültig. Ein für allemal hatte er der Welt der Teppiche und Limousinen und Privatflugzeuge Lebewohl gesagt, der Welt der Hausbars mit Spitzenweinen, der Ankleidezimmer, zum Bersten mit feinster Kleidung gefüllt, der Fürsorge seines unsterblichen Liebhabers, der ihm jedes irdische Gut schenkte, das er begehrte. Aber jetzt war es kalt, und er hatte keine Bleibe und kein Geld, und er hatte Angst. Du weißt, wo ich bin, mein Dämon. Du weißt, was Lestat angerichtet hat. Und du weißt, daß ich wieder nach Hause will.
    Was würde Armand darauf antworten?
    Aber ich weiß nichts von alledem, Daniel. Ich lausche.
    Schon gut. Du sollst nur kommen, Armand. Komm. Es ist dunkel und kalt in Chicago. Und morgen nacht wird Lestat seine Songs auf einer Bühne in San Francisco zum besten geben. Und etwas Schlimmes wird passieren.
    Ohne seinen Schritt zu verlangsamen, griff Daniel unter den Kragen seines Sweatshirts und berührte das schwere Goldmedaillon, das er immer um den Hals trug - das Amulett, wie Armand es mit seinem uneingestandenen Hang zum Dramatischen nannte - ein winziges Fläschchen mit Armands Blut.
    Wenn er davon nie gekostet hätte, würde er dann diesen Traum haben, diese Vision, dieses böse Omen eines Verhängnisses?
    Die Leute drehten sich nach ihm um,- er sprach wieder laut vor sich hin, oder? Zum erstenmal in all diesen Jahren verspürte er den Wunsch, das Medaillon und Fläschchen aufzubrechen, um dieses Blut auf seiner Zunge brennen zu lassen. Armand, komm!
    Der Traum hatte ihn heute mittag beunruhigender denn je heimgesucht.
    Er hatte auf einer Bank in dem kleinen Park beim Water Tower Place gesessen. Jemand hatte da eine Zeitung liegen lassen, und als er sie aufschlug, sah er die Reklame: »Morgen abend: Liveauftritt der Vampire Lestot-Band in San Francisco.« Im Kabelfernsehen würde das Konzert ab zehn Uhr in Chicago übertragen werden. Glücklich durfte sich preisen, wer noch ein Dach über dem Kopf hatte und seine Miete und Stromrechnung bezahlen konnte. Bei dem Gedanken, wie Lestat ihnen allen eine Riesenüberraschung bereiten würde, hätte er am liebsten laut aufgelacht. Aber die Kälte war ihm in die Knochen gefahren, hatte sich zu einem tiefen Schrecken gewandelt.
    Und was, wenn Armand nichts wußte? Aber der Schallplattenladen auf Night Island mußte Der Fürst der Finsternis in seinem Schaufenster haben. In den eleganten Hotelbars spielten sie mit Sicherheit diese hypnotischen Songs. Daniel hatte sogar daran gedacht, sich auf eigene Faust nach Kalifornien aufzumachen. Es würde ihm schon gelingen, irgendein Wunder zu vollbringen, seinen Paß im Hotel zu ergattern, um sich in einer Bank ausweisen zu können. Der arme sterbliche Junge war ja so reich…
    Die Sonne hatte ihm Gesicht und Schultern gewärmt, nachdem er sich auf die Bank gelegt und sich aus der Zeitung ein Kissen gefaltet hatte.
    Und schon kam der Traum, der die ganze Zeit seiner geharrt hatte…
    Mittag in der Welt der Zwillinge: Die Sonne brannte in die Lichtung herab. Stille ringsum, außer dem Gesang der Vögel.
    Und die Zwillinge knieten reglos nebeneinander im Staub. Blasse, grünäugige Frauen mit langem, gewelltem, kupferrotem Haar. Sie trugen erlesene weiße Leinengewänder, die von den Dorfbewohnern im fernen Ninive erstanden worden waren, um die mächtigen Hexen zu ehren, denen die Geister gehorchten. Das Beerdigungsmahl stand bereit. Die Lehmziegel der Feuerstelle waren entfernt worden, und der Körper lag dampfend auf dem heißen Steintisch, gelbe Säfte rannen aus den Stellen, wo die knusprige Haut aufgeplatzt war, ein schwarzes und nacktes Ding, lediglich mit gekochten Blättern zugedeckt. Daniel war entsetzt.
    Aber von den Anwesenden war niemand entsetzt, weder die Zwillinge noch die Dorfbewohner, die sich niederknieten, um dem Festmahl zuzusehen.
    Das Festmahl war das Recht und die Pflicht der Zwillinge. Der geschwärzte Körper auf dem Steintisch war ihre Mutter. Und was menschlich ist, muß bei den Menschen

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